Sowohl Ursula von der Leyen als auch die Kandidatin der FDP für ein Mandat in Brüssel, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, haben den Auftakt zum Europawahlkampf vergeigt. Das sei nicht schlimm, meint der Journalist Eric Bonse in einem Beitrag für den wirtschaftspolitischen Blog Makroskop, denn dass die heiße Phase des Wahlkampfes begonnen habe, habe außerhalb der Brüsseler Blase ohnehin kaum jemand mitbekommen.
Das Springer-Blatt Politico hatte Journalisten zur Maastricht Debate 2024 eingeladen. Befragt werden konnten sowohl die Spitzenkandidaten als auch einzelne Kandidaten, die sich um einen Sitz im EU-Parlament bewerben.
Folgt man der Beschreibung Bonses, entsteht der Eindruck, eine Veranstaltung über die Frage der Besetzung von Regierungsämtern in Nordkorea verläuft weit dynamischer und offener, als es bei der Maastricht Debate 2024 der Fall war. Die Fragen waren demnach ebenso absehbar wie die Antworten darauf.
Eine zweite Amtszeit für Ursula von der Leyen ist ohnehin nur noch durch eine politische Intrige, nicht aber durch Wählerwillen zu verhindern. Sie wurde als Spitzenkandidatin gesetzt. Wählen kann man sie nicht, denn sie bewirbt sich gar nicht erst um ein Mandat im EU-Parlament.
Jede Stimme für die Konservativen in Europa ist damit eine Stimme für von der Leyen. Damit es mit der zweiten Amtszeit auch definitiv klappt, hält von der Leyen die Kooperationsaussage schwammig. Erst mal sehen, wer letztlich im Parlament sitzt, lässt sich ihre Antwort auf eine mögliche Zusammenarbeit mit der rechtskonservativen EKR zusammenfassen. Das heißt: Auch eine Zusammenarbeit mit der AfD schließt sie nicht aus, denn die AfD ist Teil der EKR-Fraktion. Dass von der Leyen für Prinzipien steht, ist bisher nicht bekannt geworden.
Nicolas Schmit, der Spitzenkandidat der Sozialdemokraten, sei blass, ohne Charisma und zudem völlig unbekannt, schreibt Bonse. Eine echte Chance habe er nicht. Konfrontative Fragen wurden von den Sozialdemokraten gar nicht erst an von der Leyen gerichtet. Schmit wird nach seinem Scheitern mit einem lukrativen Posten mit wohlklingender Bezeichnung in Brüssel abgefunden, glaubt Bonse.
Scharf angegangen wurde von der Leyen dagegen von der FDP-Kandidatin Marie-Agnes Strack-Zimmermann. In einem Interview mit dem Fernsehsender Euronews attackiert Strack-Zimmermann von der Leyen in Bezug auf ihre Lieblingsthemen "Waffenlieferungen" und "Umgang mit Russland". Sie tut das allerdings in einem Englisch, das jedem Englischlehrer die Tränen in die Augen treibt. Für den unbeteiligten Zuschauer ist es unterhaltsam, denn es gibt dem üblichen Gezeter Strack-Zimmermanns eine humorvolle Note.
Wenn es für Deutschland gut läuft, belustigt Strack-Zimmermann dann mit Beginn der Legislaturperiode das Brüsseler Publikum mit schlechtem Englisch und verschwindet aus den Sesseln deutscher Talkshows. Das ist allerdings auch schon die einzig positive Erwartung, die man an die EU-Wahl haben kann. Ansonsten bleibt alles, wie es war. Das EU-Parlament hat ohnehin nichts zu sagen, der Wählerwille wird ganz weit draußen gehalten, und die Brüsseler Bürokratie macht weiterhin ihr Ding.
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