Maximilian Schachmann ist zurück: Der gebürtige Berliner scheitert zum Auftakt nur knapp am Etappensieg beim Giro. Einen Tag später zeigt Favorit Tadej Pogacar seine ganze Klasse.
Für Maximilian Schachmann fühlte sich Platz zwei zum Auftakt des Giro d'Italia trotz seines eindrucksvollen Comebacks auf der großen Radsportbühne ein bisschen wie eine Niederlage an. "Ich bin etwas enttäuscht", sagte Schachmann bei Eurosport und wirkte fast so, als wäre es nach langer Leidenszeit das Normalste der Welt, Ausnahmefahrer Tadej Pogacar zu schlagen.
Denn den Topfavoriten ließ der deutsche Radprofi im Schlusssprint hinter sich, nur der Ecuadorianer Jhonatan Narvaez war am Ende einen Tick schneller. "Der Sprint war hart. Pogacar ist pfeilschnell und Narvaez auch sehr endschnell", sagte Schachmann.
Schachmann hatte bereits 2018 eine Etappe bei der Italien-Rundfahrt gewonnen. Nun hätte der Profi vom deutschen Top-Team Bora-hansgrohe beinahe schon zum Start der 107. Giro-Auflage ein Häkchen hinter die Mission Etappensieg machen können. Dafür hat ihn sein Team bei der dreiwöchigen Rundfahrt klar vorgesehen. "Die Rolle ist gut, aber trotzdem weiß ich, was das für eine Mammutaufgabe ist, bei einer Grand Tour eine Etappe zu gewinnen", sagte er der Deutschen Presse-Agentur kurz vor dem Giro-Start. "Ich muss am richtigen Tag mit einem eigenen guten Tag in der Ausreißergruppe landen", schob der 30-Jährige hinterher.
Sturz hält Pogacar nicht vom Sieg ab
Tatsächlich kam dieser Tag früher als gedacht. "Es ist ein guter Start", sagte Enrico Gasparotto, sportlicher Leiter bei Schachmanns Team, der dpa. "Aber, wenn du so nah an das wichtigste Trikot kommst, dann ist das zwar alles gut und schön, aber du hast das Trikot trotzdem nicht". Gasparotto habe damit gerechnet, dass das kurze, aber anspruchsvolle Teilstück Schachmann liegen könnte. "Wir haben schon bei der Baskenland-Rundfahrt gesehen, dass Max zu seinem hohen Niveau zurückgekehrt ist."
Am Samstag hatte Schachmann wohltemperiert 16 Kilometer vor dem Ziel in der norditalienischen Stadt Turin attackiert und sich in einer aussichtsreichen Gruppe positioniert. Daneben Pogacar, der in diesem Jahr das seltene Double aus Giro- und Tour-de-France-Sieg einfahren will. "Wir haben versucht, die Etappe zu kontrollieren, aber leider war es nicht unser Tag", sagte der Slowene.
Am Sonntag aber lieferte Pogacar einen Beweis seiner Stärke. Bei der ersten Bergankunft zog er seinen Konkurrenten unwiderstehlich davon und kam als Erster nach 161 Kilometern auf Höhe der Wallfahrtskirche von Oropa an. Dabei hatte Pogacar kurz vor dem Anstieg noch einen Platten gehabt und war sogar gestürzt. Doch fast mühelos fuhr er wenig später ins Rosa Trikot des Spitzenreiters. 45 Sekunden Vorsprung holte er bereits auf den Briten Geraint Thomas und den Kolumbianer Daniel Felipe Martinez heraus.
Der starke Auftakt des routinierten Profis Schachmann zeigt: Beim Giro ist einiges für den bergfesten Fahrer drin, auch wenn er sich am Sonntag einen Rückstand von rund zwei Minuten auf Überflieger Pogacar einhandelte. Der zweite Rang zum Start dürfte ihn beflügeln, im Baskenland hatte er nach der vorletzten Etappe sogar Aussichten auf den Gesamtsieg. Am Ende wurde es Rang 13.
Kräftemessen mit Topfavorit Pogacar
Für den Profi ist der Giro die erste Teilnahme bei einem Grand-Tour-Rennen seit 2022. Seit jenem Jahr quälte sich Schachmann, der zuvor zweimal die Rundfahrt Paris-Nizza gewonnen hatte, mit mehreren gesundheitlichen Beschwerden herum. Dazu gehörten verschiedene Viruserkrankungen, die ihn immer wieder ausbremsten. "Das war natürlich keine einfache Zeit bei mir. Aber das gehört bei vielen Menschen dazu in ihrem Leben. Ich bin froh, dass ich da durch bin und habe damit abgeschlossen", sagte Schachmann.
Das leidenschaftliche Kräftemessen mit Pogacar (25) im Sprint belegte dies eindrucksvoll. Dass Favorit Pogacar am 26. Mai in Rom die begehrte "Trofeo Senza Fine" in die Höhe stemmen wird, ist laut vielen Experten nahezu gewiss, sofern keine Stürze und Krankheiten den Top-Star ausbremsen. "Es ist unwahrscheinlich, dass ihn hier jemand schlagen kann", sagte Schachmann. "Aber auch bei den letzten Tour-de-France-Rennen hat man gesehen, dass er nicht unschlagbar ist", fügte er hinzu. Direkt zum Auftakt hat der Bora-Profi das zumindest bewiesen.