Das Mysterium am Himmel über Nordamerika wird immer größer: Binnen weniger Tage schießt das US-Militär gleich vier Flugobjekte vom Himmel. Wer oder was steckt dahinter?Vier Abschüsse in acht Tagen: Die Luftstreitkräfte der Vereinigten Staaten haben derzeit allerhand im nordamerikanischen Luftraum zu tun. Nach dem Abschuss eines mutmaßlichen chinesischen Spionageballons rückten Kampfflugzeuge seit dem vergangenen Freitag dreimal aus, um unbekannte Flugobjekte im US-amerikanischen und kanadischen Luftraum abzuschießen. Informationen über den mutmaßlichen chinesischen Spionageballon gab das Pentagon nach dessen Abschuss schnell frei. Die Besatzungen konnten bedeutende Trümmerteile von der Absturzstelle bergen, darunter alle wichtigen Sensoren und Elektronikteile, die identifiziert wurden, sowie große Teile der Struktur, teilte das US-Militärkommando Nord am Montag mit. Auch Schlüsselsensoren, die vermutlich der Nachrichtengewinnung dienten, seien sichergestellt worden.Doch worum handelt es sich bei den anderen Objekten?Bei den drei anderen Objekten hält sich das Verteidigungsministerium der USA bislang bedeckt. Sie waren nach offiziellen Angaben deutlich kleiner als der chinesische Ballon – etwa so groß wie ein Kleinwagen – und in niedrigeren Höhen unterwegs. Die Flugobjekte über Alaska und Kanada wurden in rund zwölf Kilometern Höhe abgeschossen. Und so gibt es reichlich Spekulationen über die Herkunft der unbekannten Flugobjekte.Am Montagabend kamen dann neue Details ans Licht: CNN zitierte aus einem Schreiben des Pentagons, dass es sich bei dem Objekt über Kanada um einen "kleinen, metallischen Ballon mit einer darunter angebundenen Nutzlast" gehandelt habe. Verteidigungsbeamte schrieben CNN zufolge in dem Memo an die Gesetzgeber, dass das am Sonntag über dem Huronsee in Michigan abgeschossene Objekt nach dem Aufprall "langsam ins Wasser gesunken" sei.Washington: "Kein Hinweis auf Aliens"Zuvor hatte General Glen VanHerck, Kommandeur des nordamerikanischen Luftverteidigungskommandos Norad, auf die Frage eines Journalisten, ob das Pentagon ausschließen könnte, dass Außerirdische hinter den mysteriösen Flugobjekten steckten, geantwortet: "Ich überlasse es den Geheimdiensten und der Spionageabwehr, das herauszufinden. Ich habe zum jetzigen Zeitpunkt noch nichts ausgeschlossen."Abgeordnete beider Parteien fordern eindringlich mehr Informationen, um zu verhindern, dass sich weiter wilde Theorien verbreiten. Die gab es dann auch: Angesichts der zunehmenden Spekulationen fühlte sich das Weiße Haus zu einer Klarstellung bemüßigt – und schloss einen möglichen Zusammenhang mit Außerirdischen aus. "Es gibt keinen Hinweis auf Aliens oder außerirdische Aktivitäten bei diesen jüngsten Abschussaktionen", sagte Sprecherin Karine Jean-Pierre in Washington. "Ich wollte sicherstellen, dass das amerikanische Volk das weiß." Es habe viele Fragen dazu gegeben. "Und es war uns wichtig, dass von hier aus zu sagen."Der demokratische Mehrheitsführer im Senat, Chuck Schumer, sagte unter Berufung auf den Nationalen Sicherheitsrat, derzeit gehe man davon aus, dass es sich auch um Ballons gehandelt habe. VanHerck wies das aber zurück: "Ich werde sie nicht als Ballons einstufen – wir nennen sie nicht ohne Grund 'Objekte'.""Das ist vollkommen absurd!"Auch der Experte Rainer Kresken hält eine Alien-Hypothese für nicht haltbar. Er ist Raumfahrtingenieur bei der Europäischen Weltraumorganisation (Esa). "Das ist vollkommen absurd", erzählt er lachend, als er im Gespräch mit t-online auf seine Meinung zur Alien-Hypothese angesprochen wird. "Allerdings kann man sowas ja nie vollkommen ausschließen", fährt Kresken fort. Sollten hinter den unbekannten Flugobjekten allerdings wirklich Aliens stecken, hält der Wissenschaftler den Abschuss der Objekte für keine gute Idee: "Sonst verärgert man sie noch! Und das wollen wir nicht. Denn wenn außerirdische Lebensformen wirklich hier sind, sind sie technologisch höher entwickelt als wir."Allerdings glaubt er nicht an die Alien-Hypthese: "Ich glaube, die Ballons und sonstigen Objekte sind chinesischer Herkunft." Kresken gehe davon aus, dass China damit die Reaktionszeit der Amerikaner testen wolle. "Außerdem eignen sich Ballons sehr gut zur Spionage. Sie fliegen tiefer als Satelliten und können so zum Beispiel auch die Telekommunikation abhören."Experte hält Flugobjekte für ZeppelinsAuch für die Erzählungen mancher amerikanischer Piloten, nach denen der Kontakt mit den Flugobjekten Ausfälle ihrer Sensoren verursacht habe, hat Kresken eine mögliche Erklärung: "Flugzeuge im Luftkampf setzen Funkfrequenzen ein, um die Geräte des Gegners zu stören. Hier denke ich allerdings, dass es sich um normale Interferenzen handelt, die immer mal wieder auftreten."Ein anderer Pilot berichtete, das unbekannte Flugobjekt sei achteckig gewesen und hätte keinen sichtbaren Antrieb gehabt. "Das wird ein Zeppelin-Modell gewesen sein", erklärt Kresken. "Bei denen ist der Antrieb im Objekt selbst verbaut."Sorgen darüber, dass bei den Abschüssen Menschen zu Schaden kommen könnten, mache sich Rainer Kresken nicht. "Die Amerikaner haben entsprechende Prozeduren, die sie einhalten. Dadurch können sie sicherstellen, dass sich niemand an Bord der unbekannten Flugobjekte befindet. Zuerst werden solche Objekte mehrfach angefunkt. Wenn da nichts zurückkommt, gibt es die Freigabe zum Abschuss." In den USA wolle man nicht riskieren, dass Menschen bei der Beseitigung der Flugobjekte zu Schaden kommen.Suche nach Trümmern gestaltet sich offenbar schwierigDer Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrates, John Kirby, sagte, die bislang nicht identifizierten Flugobjekte könnten womöglich auch einen harmlosen Hintergrund haben. "Es könnte völlig harmlose und völlig erklärbare Gründe dafür geben, warum diese Objekte dort oben herumfliegen." Sie könnten zum Beispiel der wissenschaftlichen Forschung oder der geografischen Kartierung dienen und von Unternehmen oder wissenschaftlichen Einrichtungen stammen. "Wir wissen es einfach nicht." Dafür müssten die Überreste ausgewertet werden. Es gehe nicht darum, solche Objekte zu verbieten. Ein Problem sei aber, wenn sie die zivile Luftfahrt gefährdeten.Der Kommunikationsdirektor sagte, die Regierung arbeite daran herauszufinden, was genau diese Flugobjekte gewesen seien und zum Ziel gehabt hätten. Dazu gehörten intensive Bemühungen, ihre Trümmer von den entlegenen Abschussorten zu bergen. "Das kann lange dauern, je nach Seegang und Wetterbedingungen." Auch die Sicherheit von Tauchern sei zu schützen.Kirby verwies darauf, dass Überreste des chinesischen Ballons vor der Küste von South Carolina aus dem Atlantik gezogen wurden. In den anderen Fällen gestalte sich die Suche schwieriger. "Es ist wichtig, daran zu erinnern, dass sich die Objekte in Alaska und Kanada in ziemlich abgelegenem Gelände befinden." Man habe es zu tun mit "Eis und Wildnis und all dem, was es schwierig macht, sie bei Winterwetter zu finden". Das Objekt, das am Sonntag über dem Huronsee im Norden der USA abgeschossen wurde, liege in sehr tiefem Wasser.Peking dreht den Spieß umChina will indes nicht mehr länger als Schuldiger angeprangert werden: Das Außenministerium in Peking warf den USA seinerseits vor, im vergangenen Jahr selbst mehr als zehnmal "illegal" Ballons in großer Höhe über China fliegen gelassen zu haben. Die USA sollten aufhören, "andere Länder zu verunglimpfen und Konfrontation anzufachen", sagte Außenamtssprecher Wang Wenbin. Es komme ziemlich häufig vor, dass US-Ballons über andere Länder flögen. Doch sagte der Sprecher nicht, auf welche Art von Ballons er sich bezog – ob für Spionage oder schlicht zur Wetterbeobachtung.Die US-Regierung wies die Anschuldigungen umgehend zurück. "Das ist absolut nicht wahr", sagte Kirby, dem Sender MSNBC in Washington. "Wir lassen keine Ballons über China fliegen."Die "Financial Times" berichtete, Dutzende chinesische "Militärballons" seien in den vergangenen Jahren auch in Taiwans Luftraum eingedrungen – viel mehr als bisher bekannt. "Sie kommen sehr häufig, der letzte erst vor ein paar Wochen", sagte ein hoher Beamter. Peking betrachtet die demokratische Insel Taiwan als Teil der Volksrepublik und droht mit einer Eroberung.