Bixente Lizarazu spricht bei t-online über das Gigantenduell seines Ex-Klubs FC Bayern mit Paris Saint-Germain. Probleme sieht er bei beiden Teams.Gedankenschnell und schlagfertig war Bixente Lizarazu schon als Spieler des FC Bayern – und das ist der mittlerweile 53 Jahre alte Ex-Profi noch immer. Den deutschen Akzent bei der vermeintlich französischen Begrüßung erkennt er direkt beim "Bonsoir Monsieur", als t-online ihn erreicht. "Servus", antwortet er und lacht. Mit seinem typisch französisch-bayerischen Einschlag klingt er dabei natürlich ungleich charmanter.Klar, dass Lizarazu, der im weiteren Gespräch ins Englische wechselt, unmittelbar vor dem Hinspielkracher seines Ex-Klubs im Achtelfinale der Champions League (21 Uhr im t-online-Liveticker) bei Paris Saint-Germain (PSG) mit solchen Anrufen aus München rechnet. Schließlich hat er zwischen 1997 und 2006 insgesamt achteinhalb Jahre für den FC Bayern gespielt, mit dem er unter anderem 2001 die europäische Königsklasse gewann. Davor wurde er mit Frankreich 1998 Welt- und anschließend 2000 auch Europameister.Heute arbeitet er unter anderem als Experte für den französischen Sender TF1. Im Interview mit t-online gibt er seine Expertise zu dem Duell zwischen PSG und Bayern ab.t-online: Herr Lizarazu, wo erreichen wir Sie gerade? Beim Surfen, oder ist es dafür momentan dann doch zu kalt?Bixente Lizarazu: (lacht) Nein, ich sitze im Auto. Aber grundsätzlich gehe ich auch jetzt im Winter weiter Surfen, Skifahren oder Fahrradfahren. Das Wetter stört mich nicht. Mir ist es egal, ob es regnet oder kalt ist. Ich mache trotzdem die ganze Zeit Sport.Dabei suchen Sie ja auch gerne mal das Risiko, sind zuletzt in Polynesien mit Haien getaucht.Das war ein schöner Nervenkitzel und hat wirklich Spaß gemacht. Ich mache auch Jiu-Jitsu, also Martial Arts. Ich liebe es einfach, verrückte Dinge zu tun, die mit Sport und Emotionen in Verbindung mit der Natur zu tun haben.Mit vielen Emotionen und großer Spannung wird auch das Kräftemessen von Paris Saint-Germain und ihrem Ex-Klub FC Bayern erwartet. Wie blicken Sie auf das Duell dieser beiden Giganten?Ehrlich gesagt weiß ich noch gar nicht so richtig, was ich davon erwarten soll.Warum?Beide Mannschaften sind nicht in ihrem besten Moment der Saison und versuchen erst noch, die beste Balance zu finden. Paris ist nach der WM-Pause aus dem Rhythmus gekommen und hat sich 2023 bislang alles andere als gut präsentiert. Die Verletzung von Kylian Mbappé ist ein großer Rückschlag für PSG. Er ist der momentan vielleicht beste Spieler der Welt, der jede Verteidigung vor Probleme stellen kann. Jetzt sind sie auch noch aus dem Pokal rausgeflogen. Die Situation in Paris ist ziemlich beunruhigend. Bei Bayern ist es ein bisschen dasselbe, auch wenn sie nach drei Unentschieden ihre letzten drei Pflichtspiele gewonnen haben.Beide Teams stehen an einem ganz entscheidenden Punkt dieser Saison, oder?Für den FC Bayern ist die Champions League immer sehr wichtig. Das weiß ich noch sehr gut aus eigener Erfahrung. Die Saison startet erst jetzt richtig, in der "moneytime", der entscheidenden Phase der Champions League. Bayern hat den Titel schon einige Male geholt und genau das PSG voraus. Für sie geht es jetzt darum, sich den nächsten zu sichern. Paris versucht dagegen noch immer, seinen ersten Champions-League-Titel überhaupt zu gewinnen. Das ist ein großer Unterschied. PSG investiert sehr viel dafür, vor allem in den vergangenen fünf Jahren. Da haben sie Neymar, Mbappé und Messi für viel Geld geholt und gehalten, um sich ihren großen Traum endlich zu verwirklichen.Was wird das Duell aus Ihrer Sicht entscheiden?Beide Teams haben wie gesagt jeweils ihre Probleme. Bayern hat riesiges Potenzial in der Offensive, aber in der Defensive fehlt teilweise die Balance, dort sind sie anfällig. In der Bundesliga ist das kein Problem, weil der Qualitätsunterschied sehr groß ist. Aber in der Champions League und speziell gegen PSG wird ihnen das Schwierigkeiten bereiten. Da müssen sie stabiler sein und sich steigern.Wie sehr würde PSG der drohende Ausfall von Mbappé schwächen?Wir alle wissen, was für ein Ausnahmespieler er ist. Er kann ein Spiel allein entscheiden, hat Frankreich 2018 zum WM-Titel geführt und mit vier Toren im Finale in Katar fast zu einem weiteren. PSG hat drei Ausnahmespieler: Mbappé, Lionel Messi und Neymar. Aber Mbappé ist jung und wirklich sehr, sehr schnell. Darauf verzichten zu müssen, wäre ein großes Problem für PSG. Sie müssten sich und ihr Angriffsspiel quasi neu erfinden und es um Messi und Neymar neu aufbauen. Mit Mbappé und seiner Schnelligkeit kannst du auch etwas zurückgezogen auf Konter spielen. Ohne ihn müssen sie taktisch anders agieren.Am Montag nahm Mbappé genau wie Messi am Abschlusstraining teil. Ob er möglicherweise doch zumindest als Joker eingesetzt werden kann, ist offen. Ist der Messi-Faktor da umso wichtiger für Paris?Messi hat nicht nur eine starke WM gespielt, sondern von Anfang an eine richtig gute Saison. Er ist in Topform und auch im Kopf befreit. Der WM-Pokal war die letzte Trophäe, die ihm noch fehlte. Jetzt hat er alles gewonnen, was du im Fußball gewinnen kannst und überhaupt keinen Druck mehr. Er hat bei der WM gezeigt, dass er noch immer der beste Spieler der Welt ist und in den großen Spielen – genau wie Mbappé – den Unterschied ausmachen kann. Er kann wunderschöne Dinge im Fußball erschaffen und ist für PSG eigentlich der Schlüssel im Hinspiel.Wie kann Bayern ihn stoppen?Da wird es vor allem auf die Abstimmung zwischen den Innenverteidigern und den defensiven Mittelfeldspielern ankommen, also auf Upamecano und de Ligt sowie Kimmich und Goretzka. Ein Spieler allein kann ihn nicht aufhalten, du musst ihn immer zu zweit oder dritt verteidigen.Sie sprechen Ihren Landsmann Dayot Upamecano an. Wie sehen Sie seine Entwicklung als Abwehrchef?Upamecano hat sich im Vergleich zum vergangenen Jahr gesteigert und eine wahre Evolution hinter sich. Er hat eine sehr starke WM gespielt und war sehr wichtig für die französische Abwehr. Das gibt ihm viel Selbstvertrauen. Er wird Bayern auch gegen PSG sehr helfen.Mit Kingsley Coman wird ein weiterer französischer Spieler der Bayern im Fokus stehen, oder?Mit Sicherheit. Auch bei ihm wissen wir, was für ein Spieler er ist. Er hat ein sehr gutes Dribbling, ist speziell auf den ersten zehn Metern sehr schnell. Mit diesen Stärken kann auch er das Spiel entscheidend beeinflussen.So wie im Champions-League-Finale 2020, als er den 1:0-Siegtreffer gegen seinen Ex-Klub PSG, bei dem er ausgebildet wurde, erzielte.Das hat PSG sehr wehgetan. Aber so ist das Leben. Er war als junger Spieler in Paris. Manchmal schaffst du dann den Durchbruch und manchmal ist es besser für deine Entwicklung, den Verein zu verlassen.Wie sehr wird der FC Bayern den ebenfalls verletzten Manuel Neuer aus Ihrer Sicht vermissen?Wenn wir bei Paris über das wahrscheinliche Fehlen von Mbappé und möglicherweise Messi reden, müssen wir auch bei Bayern über Manuel Neuer, Lucas Hernández und Sadio Mané sprechen. Das sind absolute Weltklassespieler. Speziell die schlimme Verletzung von Neuer ist schrecklich für ihn und den Klub. Aber sie haben mit Yann Sommer einen starken Ersatz geholt. Bei der EM 2021 ist Frankreich im Achtelfinale gegen die Schweiz auch wegen ihm ausgeschieden. Manuel Neuer ist Manuel Neuer, der beste Torhüter der Welt, vor dem auch Mbappé, Messi und Neymar großen Respekt haben. Aber Sommer ist ebenfalls ein guter Keeper. Er kann den Job gegen PSG erledigen.Mané wird wohl zumindest im Rückspiel spielen können, Lucas Hernández nach seinem Kreuzbandriss dagegen definitiv nicht.Auch er ist ein sehr wichtiger Spieler für Bayern. Ich liebe seinen Spielstil, seine Aggressivität. Er ist ein Vollblutverteidiger, ein Kämpfer und gibt der Mannschaft mit seiner Spielweise einen gewissen Charakter. Verletzungen gehören aber leider dazu. Das musst du akzeptieren und als große Mannschaft dann auch Lösungen in deinem Kader parat haben.Wie eng ist Ihre Verbindung zum FC Bayern eigentlich noch?Die ist immer noch fantastisch. Ich werde die knapp neun Jahre in München niemals vergessen, den Champions-League-Titel, den Weltpokalsieg, die sechs Meisterschaften, die fünf Pokaltriumphe. Das gilt auch für meine Teamkollegen wie Oliver Kahn, Hasan Salihamidzic, Stefan Effenberg, Giovane Elber, Mehmet Scholl. Ich habe viele tolle Momente in meiner Karriere mit Frankreich erlebt, war Weltmeister und Europameister. Aber meine Zeit bei Bayern war ebenfalls fantastisch. Ich bin jemand, der nie vergisst, wer mir das alles ermöglicht hat. Bayern hat mir die Möglichkeit dazu gegeben, den Himmel zu berühren, weil wir die Besten waren.Mit Kahn und Salihamidzic leiten nun zwei Ihrer Ex-Teamkollegen die Geschicke des Klubs. Wie verfolgen Sie das?Ich bin sehr glücklich, sie jetzt an der Spitze des Vereins zu sehen. Ich liebe diese Idee, dass Spieler in diesem Klub dann Manager werden können. Das war schon früher so mit Uli Hoeneß, Karl-Heinz Rummenigge und Franz Beckenbauer. Mit Hasan tausche ich mich auch häufiger mal aus.Zum Abschluss noch zum Thema Nationalmannschaft: Waren Sie überrascht, wie schlecht die WM für die deutsche Elf gelaufen ist?Ich war schon ziemlich überrascht, dass Deutschland erneut so früh ausgeschieden ist. In Frankreich wundern wir uns schon seit ein paar Jahren über die schlechten Resultate der Deutschen. Nachdem sie ja schon bei der WM 2018 in der Vorrunde rausgeflogen waren, habe ich jetzt eigentlich eine Reaktion erwartet.Die ist ausgeblieben. Rechnen Sie damit nun bei der Heim-EM im kommenden Jahr?Das ist jetzt der entscheidende Moment für den deutschen Fußball. Sie müssen jetzt reagieren und zurück zum Erfolg kommen. Nach dem WM-Titel 2014 waren sie noch einmal im EM-Halbfinale und seitdem hatten sie große Probleme. Bei der Heim-EM müssen sie die jetzt dringend beheben. Ich glaube nicht, dass es eine Frage der Qualität ist. Jamal Musiala ist doch zum Beispiel ein wunderbarer, junger Spieler, der fantastische Dinge im Fußball erschaffen kann. Sie müssen jetzt aber schnell Lösungen finden, denn als EM-Gastgeber haben sie die Pflicht dazu.Kann Frankreich da ein Vorbild sein?Die Équipe Tricolore ist auf jeden Fall in einem sehr guten Moment. Wir haben sehr gute Spieler, von denen viele noch sehr jung sind. Deshalb gibt es auch keine großen Probleme mit einem anstehenden Generationswechsel. Wenn zum Beispiel Hugo Lloris, Olivier Giroud oder Raphaël Varane aufhören sollten, haben wir bereits Lösungen mit jungen Spielern dahinter, die große Qualität haben und ihnen problemlos folgen könnten. Wir können uns da sehr glücklich schätzen, denn wir haben wirklich enormes Potenzial. Vielleicht kann sich Deutschland da tatsächlich ein bisschen was davon abschauen.