Eppelheim. (luw) Der Landtagsabgeordnete Andre Baumann (Grüne) hat gemeinsam mit ehrenamtlichen Flüchtlingshelfern die zwischenzeitlich abgeschobene Somalierin Mulaho nach der Rückkehr mit ihren drei Kindern besucht. "Wir brauchen Leitlinien, damit nächtliche Abschiebungen auch in Baden-Württemberg die absolute Ausnahme bleiben", forderte er laut Mitteilung von Donnerstag.
Bekanntlich war die als gut integriert geltende Familie in der städtischen Anschlussunterbringung in der Eppelheimer Rudolf-Diesel-Straße im November plötzlich nachts von der Polizei geweckt und nach Polen gebracht worden. Nach geltendem EU-Recht hätte sie dort Asyl beantragen müssen; ihr Antrag in Deutschland war bereits 2018 abgelehnt worden.
Der Abgeordnete hatte sich gegenüber dem Regierungspräsidium für die Familie eingesetzt, auch im Landtag wurde wie berichtet über den Fall der Familie diskutiert. Kurz vor Weihnachten reisten Mutter und Kinder illegal wieder nach Deutschland ein; nach mehreren Stationen in verschiedenen Unterkünften in Deutschland landeten sie letztlich wieder in Eppelheim, wo sie sich bereits seit über drei Jahren heimisch fühlen. "Mir tut es leid, dass Ihnen und Ihren Kindern diese traumatische Abschiebung widerfahren ist", sagte Baumann bei dem Besuch zu Mulaho.
Die 34-jährige Mutter berichtete, dass die Kinder mittlerweile wieder in den Kindergarten und die Schule gingen. Dort träfen sie ihre Freunde, sie könnten lernen und unbeschwert spielen. Sie selbst sei froh, wieder in Eppelheim zu sein: Hier habe sie viele Menschen kennengelernt, zu denen sie Vertrauen aufbauen konnte.
Wolfram Schmittel von der Flüchtlingshilfe bemängelte die Intransparenz der Asylverfahren: "Wir als Helfende tappen oft völlig im Dunkeln, wie die Ämter ihre Entscheidungen fällen." Dies erschwere die Arbeit der Ehrenamtlichen sehr. "Und wenn wir den Behördendschungel nicht durchdringen, wie sollen das Asylsuchende schaffen?", fragte er. Baumann verwies auf den umzusetzenden Koalitionsvertrag der grün-schwarzen Landesregierung: "Wir wollen gerade auch geflüchteten Familien aus humanitären Gründen einfacher eine Bleibeperspektive eröffnen." Er gehe davon aus, dass Verfahren so transparent werden, dass Betroffene gut informiert und unterstützt werden können.
Mulaho ist die Unterstützung des Landtagsabgeordneten jedenfalls sicher, heißt es in der Mitteilung: "Ihr neues Zuhause ist Eppelheim – und ich bin als Ihr Abgeordneter auch für Sie verantwortlich", sicherte ihr Baumann zu. Er versprach, sich weiterhin für eine gute Bleibeperspektive der Familie einzusetzen.
Update: Donnerstag, 20. Januar 2022, 19.49 Uhr
Von Sabine Geschwill und Lukas Werthenbach
Eppelheim. "Jetzt sind wir wieder zu Hause", sagten die Kinder, als sie am gestrigen Dienstag im Auto auf dem Weg vom Heidelberger Hauptbahnhof nach Eppelheim saßen. Hinter den vier, sechs und acht Jahre alten Kindern und ihrer Mutter Mulaho liegen fast fünf Wochen der Ungewissheit. In der Nacht auf den 18. November hatte die Polizei bekanntlich die aus Somalia stammende Familie unangekündigt in der städtischen "Anschlussunterbringung" in der Rudolf-Diesel-Straße geweckt und so ihre Abschiebung nach Polen eingeleitet. Nicht nur angesichts dieses Vorgehens, sondern auch weil die Familie nach drei Jahren in Eppelheim als gut integriert galt, löste der Fall große Empörung in der Region und darüber hinaus aus. In den vergangenen Tagen überschlugen sich dann die Ereignisse, ehe für die Familie nun kurz vor Weihnachten ihr wohl größter Wunsch in Erfüllung ging.
Als das von Ehrenamtlichen der Eppelheimer Flüchtlingshilfe gesteuerte Auto am Nachmittag vor der früheren und nun wieder aktuellen Adresse der Familie stoppte, gab es kein Halten mehr: Salman, Salma und Sarah sprangen aus dem Fahrzeug und liefen freudestrahlend über den Hof in Richtung der Unterkunft. Die 34-jährige Mulaho wurde währenddessen von Freunden, Bekannten und Ehrenamtlichen umarmt. Neben den Mitgliedern der Flüchtlingshilfe empfingen auch Rechtsanwältin Fidan Kilic und Kai Enkler von der Stadtverwaltung die Familie.
"Herzlich willkommen bei uns", sagte der zuständige Sachbearbeiter Enkler bei der Übergabe der Schlüssel an Mulaho, "es ist alles okay mit Ihrer Wohnung". Für die Familie waren schon einige Geschenke abgegeben worden, unter anderem von Elternvertretern der Friedrich-Ebert-Gemeinschaftsschule, wo Salman und Salma – bis zu ihrer plötzlichen Abschiebung – die erste und zweite Klasse besuchten. Salma, die Älteste, freue sich sehr auf die Schule und ihre Mitschüler, wie sie sagte. Ihr Bruder Salman packte gleich sein Geschenk aus. Und Sarah machte sich erst mal über einen kleinen Schokoweihnachtsmann her und sagte, dass sie sich auf die Rückkehr in den St. Elisabeth-Kindergarten freue. Mutter Mulaho sagte gegenüber der RNZ: "Ich bin glücklich, dass ich hierher zurückkommen durfte."
Schließlich war vor wenigen Wochen noch kaum daran zu denken. Rückblick: Die studierte Ökonomin Mulaho arbeitete in ihrer Heimat Somalia für eine Nicht-Regierungsorganisation, geriet ins Visier der Terrormiliz "al-Shabaab" und überlebte einen Bombenanschlag nur knapp. In der Folge flüchtete die Familie, die jüngste Tochter Sarah kam 2017 auf einer Zwischenstation in Kenia zur Welt. Mulahos Ehemann ging später zurück nach Somalia und hofft weiter darauf, nach Deutschland nachkommen zu dürfen. Über Umwege gelangten Mutter und Kinder 2018 nach Eppelheim. Dort fühlte man sich fortan wohl, alle lernten schnell die deutsche Sprache. Doch ihr Asylantrag wurde unter Verweis auf das "Dublin-Verfahren" abgelehnt: Sie hatten in Polen erstmals Boden der Europäischen Union (EU) betreten, weshalb sie dort Asyl beantragen müssten.
So wurden sie nun im November nach Warschau in ein Flüchtlingscamp "überstellt". Doch die Familie hielt es dort nicht aus, reiste illegal wieder nach Deutschland ein und kam nach zahlreichen Stationen in ganz Deutschland – und erst auf Veranlassung des Regierungspräsidiums Karlsruhe – nun zurück nach Eppelheim. Wie lange sie hier bleiben darf, weiß niemand. Die Flüchtlingshilfe will sich mit Rechtsanwältin Kilic im neuen Jahr an die Arbeit machen, um für einen langfristigen Verbleib der Familie zu sorgen ...