Von Marco Partner
Hirschberg-Großsachsen. Alle Jahre wieder wird auch im Seniorenzentrum am Turm Weihnachten gefeiert. Wie aber können die Pflegekräfte die familiären Rituale mit Festessen und Bescherung im trauten Heim mit den Heiligabend-Wünschen der Bewohner in Einklang bringen? Ein Gespräch mit Altenpflegern in Großsachsen verdeutlicht: Als Belastung sehen sie den besonderen Einsatz in der fröhlichen Nacht nicht, sondern vielmehr als großen Zugewinn. "Wir bekommen mehr zurück, als wir geben", weiß Pflegedienstleiterin Nadine Tomainski.
Die Cafeteria ist schon lange festlich geschmückt, in vielen Ecken des Seniorenheims kommt Weihnachtsstimmung auf. Obschon diesmal wie schon im vergangenen Winter 2020 vieles anders ist. Doch Corona zum Trotz versucht das Pflegeteam, den Senioren ein Adventslächeln auf die Lippen zu zaubern. "Vor allem das Singen ist wichtig. Zuletzt spielte eine Blaskapelle vor dem Haus. Das weckt Erinnerungen", sagt Heimdirektor Ingo Pregartner. "Und gerade diejenigen, die sonst nicht viel sprechen, haben richtig losgelegt", stimmt Tomainski mit ein.
Emotionaler Spagat zwischen Familie und Seniorenheim
Das Fest der Liebe, für die Pflegekräfte bedeutet es auch den emotionalen Spagat zwischen Familie und Seniorenheim. Meistens aber bekommt man beides unter einen Hut. Wenn Nadine Tomainski an Heiligabend die Spätschicht übernimmt, kann sie im Grunde sogar zweimal Weihnachten feiern. Zunächst gibt es Bescherung und gemeinsames Singen mit den Senioren, dann stößt sie am späten Abend zu ihrer Familie dazu. Dass manche Geschenke dann schon ausgepackt sind, stört sie nicht.
Bereits im September werden die Dienstpläne für die letzten Tage im Jahreskalender besprochen. Weihnachten oder Silvester? "Auf diese Frage läuft es meistens hinaus", weiß Tomainski. Jüngere Mitarbeiter wollen sich für gewöhnlich eher die Neujahrsnacht freihalten, Mitarbeiter mit kleinen Kindern dagegen an Heiligabend voll für ihre Liebsten da sein. Oft folgt man dem Rotationsprinzip, sodass ein jeder mal am 24. oder 31. Dezember eine Schicht übernimmt. "Natürlich haben wir auch nicht-christliche oder orthodoxe Mitarbeiter, die gern an Weihnachten einspringen, um ihren Kolleginnen das Feiern mit der Familie zu ermöglichen", sagt Pregartner.
Auch Manuela Greipel liegt das Weihnachtsfest im trauten Familienheim sehr am Herzen. Daher übernimmt sie meist die Frühschicht, auch um abends noch in die Kirche gehen zu können. Im vergangenen Jahr machte die Betreuungsleiterin jedoch eine ihrer wenigen Ausnahmen. "Da das Weihnachtsfest im großen Stil ohnehin eingeschränkt war." Aber auch, weil sie für die Bewohner in dieser schwierigen und einsamen Pandemie-Zeit da sein wollte. "Es war natürlich ganz anders als sonst und für alle ungewohnt", betont sie. Für gewöhnlich verbringen nämlich viele Bewohner Heiligabend bei ihrer Familie. Doch das war aufgrund von Corona-Infektionen und einer separaten Quarantäne-Etage kaum möglich.
Eigentlich wird im Seniorenzentrum im großen Festsaal gemeinsam gefeiert. Nun war das Altenheim ruhig, isoliert und in zwei Bereiche getrennt, musste das Weihnachtsessen zum Teil auf die Zimmer gebracht werden. "Wir haben unser Bestes gegeben, eine Mitarbeiterin hat sich dafür extra als Engel verkleidet. Angehörige kommunizierten durchs Fenster, manche versuchten sogar über Walkie-Talkie Kontakt zu halten", erinnert Greipel. "Aber die einsame Situation hat doch viele mitgenommen, wir hatten alle schwer daran zu nagen", erklärt sie. Diesmal können aufgrund der Booster-Impfung viele Senioren wieder bei ihren Angehörigen sein. Im Seniorenzentrum wolle man in kleinen Wohnbereichen à 16 Bewohner verteilt feiern. Und Fotos machen, Whatsapp-Video-Gespräche führen, sodass die Angehörigen Anteil nehmen können. "Weihnachten ist nun mal das Fest der Feste", sagt Greipel. Und da sind Rituale und Traditionen einfach unverzichtbar. Das wird auch im Seniorenzentrum so gelebt.
"Wir versuchen, unseren Bewohnern viele Weihnachtsbräuche zu ermöglichen", betont Pregartner. Die Christbäume in den Wohnbereichen werden zum Beispiel erst kurz vor Weihnachten aufgestellt und von Bewohnern und Betreuern gemeinsam geschmückt. Das weckt Erinnerungen an Kindheitstage, als die Kugeln im Keller oder Speicher geholt wurden. Und die Spannung wird vor dem geistigen Auge wieder lebendig: wie man als Kind mitbekommt, dass etwas Großes passiert, aber doch alles hinter einem geheimnisvollen Schleier liegt. Auch die Weihnachtsgeschichte wird erzählt, und ein gemeinsames Krippenspiel einstudiert. Kartoffelsalat mit Würstchen und eine besondere Nachspeise stehen traditionell auf der Heiligabend-Speisekarte – und natürlich Geschenke. "Das alles führt dazu, dass die Augen der Bewohner leuchten und emotionale Erinnerungen geweckt werden, auch bei Demenz", erklärt der Hausdirektor, der selbst an Weihnachten stets im Seniorenzentrum ist, um allen Bewohnern ein frohes Fest zu wünschen. "Als meine Kinder kleiner waren, habe ich sie gerne mitgenommen. Auch das bringt eine Freude in Haus", weiß er. Auch der Besuch von Schülern und Kindergartenkindern gehört für gewöhnlich zur Adventszeit dazu. Und natürlich das Plätzchen backen.
"Da können wir unseren Bewohnern nichts vormachen. Da wird mal locker ein altes Rezept ausgepackt und einem der Kopf gewaschen, wenn man zu viel Mehl nimmt", sagt Tomainski lachend. Selbst die Männer kneten bei der Weihnachtsbäckerei des Seniorenzentrums mit. "Auch Bratäpfel haben wir schon spontan am 24. Dezember gemacht oder Glühwein. Beim Krippenspiel schlüpfte eine Bewohnerin einmal in die Rolle des Schafs", erinnert sich Greipel.
Das Mähen und Blöken wurde schnell zum Running Gag, das den ganzen Weihnachtsabend irgendwo im Seniorenheim widerhallte. Schöne Momente beim Weihnachtsfest fern der Familie, welche die Seniorenpfleger nicht missen möchten.