Stuttgart/Heidelberg. (dpa/lsw) Das Sozialministerium hat der Stadt Heidelberg angeboten, eine Zwischennutzung des ehemaligen Gefängnisses "Fauler Pelz" für den Maßregelvollzug von etwa drei Jahren vertraglich abzusichern. "Heidelbergs Oberbürgermeister Eckart Würzner irrt, wenn er sagt, dass wir nach der vereinbarten Dauer nicht aus den Gebäuden rausgehen", sagte Amtschef Uwe Lahl der Deutschen Presse-Agentur am Montag in Stuttgart. Damit reagierte er auf eine Aussage Würzners, der angesichts massiver Umbauten befürchtet, psychisch kranke Straftäter dauerhaft in der Stadt zu haben.
Wenn eine zweistellige Millionensumme investiert werde, werde aus einer Zwischen- schnell eine Dauerlösung, hatte Würzner der RNZ exklusiv gesagt. Laut Ministerium stehen elf Millionen Euro bereit, um den Komplex im Eigentum des Landes zu modernisieren.
Dieser ist nach Lahls Worten für eine Dauernutzung gar nicht geeignet. Die Atmosphäre erinnere an das berüchtigte US-Gefängnis Alcatraz und sei nicht ideal für die Gesundung psychisch Kranker. Die Räumlichkeiten bildeten eine Notunterkunft für maximal 100 Menschen, deren Insassen sie wieder verlassen, sobald andere Kapazitäten in Schwäbisch Hall und Winnenden geschaffen worden seien.
Eine als Friedensangebot gedachte Bauvoranfrage des Landes an die Stadt sei vom Oberbürgermeister ablehnt und daraufhin vom Land zurückgezogen worden. Lahl: "Wir machen jetzt unser Ding." Die nötigen Arbeiten für zeitgemäße Heizungen oder Duschen könnten im Zuge der Bestandschutzes vorgenommen werden. "Anfang Januar gehen die Handwerker rein." Im August 2022 würden dann die ersten Patienten einziehen.
Lahl betonte, obwohl die Kapazitäten im baden-württembergischen Maßregelvollzug seit 2017 um 24 Prozent gesteigert worden seien, könnten etliche Menschen nicht innerhalb der von der Rechtsprechung anerkannten Frist aufgenommen werden. Die Folge sei, dass Straftäter auf freien Fuß gesetzt würden.
Lahl bedauert, dass die Stadt auch ein "Paketlösung" nicht habe akzeptieren wollen. Denn diese brauche für die angestrebte Dauernutzung durch die Universität die Unterstützung des Eigentümers, "Es gibt dafür weder einen Planung noch eine Finanzierung- das alles kann ich anbieten." Ohne Annäherung könnten die Kontrahenten vor dem Kadi landen.
Update: Montag, 20. Dezember 2021, 21.06 Uhr
Land macht Druck beim Maßregelvollzug im "Faulen Pelz"
Heidelberg. (hob) Für seine Pläne für das ehemalige Gefängnis "Fauler Pelz" hat Sozialminister Manne Lucha nun Rückendeckung von der gesamten Landesregierung. Laut Kabinettsbeschluss vom Dienstag soll Lucha alle Anstrengungen unternehmen, um – unter anderen in Schwäbisch Hall und Winnenden – dauerhaft mehr Plätze für den Maßregelvollzug zu schaffen.
Befristet bis zum 30. Juni 2025 sollen als Übergangslösung aber auch psychisch kranke und suchtkranke Straftäter in dem stillgelegten Heidelberger Frauengefängnis untergebracht werden. Ungeachtet des klaren Votums aus Stuttgart bekräftigt indes ein Stadtsprecher die Position von Oberbürgermeister Eckart Würzner: "Wir haben einen klaren politischen Konsens in Heidelberg. Wir halten die Unterbringung therapiebedürftiger Straftäter mitten in der Altstadt, in einem stillgelegten Gefängnis aus dem 19. Jahrhundert, sowohl für die Entwicklung unserer Universität und der Altstadt wie auch für die Insassen für nicht geeignet."
Derzeit prüft das städtische Baurechtsamt eine Bauvoranfrage des Sozialministeriums. Wann dies abgeschlossen sein wird, ist offen.
Update: Mittwoch, 8. Dezember 2021, 15.03 Uhr
Würzner irritiert über Ministerium
Heidelberg. (hob) Das Stuttgarter Sozialministerium hat in einem Brief an den Gemeinderat sein Vorhaben unterstrichen, im stillgelegten Gefängnis "Fauler Pelz" einen Maßregelvollzug einzurichten. In dem Schreiben kündigt der Amtschef des Ministeriums an, "dass wir eine abschlägige Baugenehmigung nicht hinnehmen könnten und in diesem Fall den Rechtsweg beschreiten müssten". Dazu erklärt Oberbürgermeister Eckart Würzner: "Ich finde es sehr irritierend, dass ein Ministerium eine Klage androht, falls ein Rechtsverfahren nicht in seinem Sinne entschieden wird. Auch eine Regierungsbehörde sollte erstmal den Abschluss eines Verfahrens abwarten, bevor sie dessen Rechtmäßigkeit öffentlich in Frage stellt." Unabhängig von der baurechtlichen Prüfung betrachten Würzner und der Gemeinderat den "Faulen Pelz" in der Altstadt als ungeeignet für die Unterbringung therapiebedürftiger Straftäter.
Update: Donnerstag, 18. November 2021, 20.05 Uhr
Land droht mit Klage für die Nutzung von Heidelbergs Altstadt-Gefängnis
Heidelberg. (hob) Eindringlich appelliert das Sozialministerium an den Heidelberger Gemeinderat, seine ablehnende Haltung zur Nutzung des ehemaligen Altstadtgefängnisses für den Maßregelvollzug doch noch einmal zu überdenken. "Es ist die einzige Möglichkeit, zu verhindern, dass gefährliche Straftäter auf freien Fuß gesetzt werden müssen", schreibt Prof. Uwe Lahl, Amtschef im Ministerium, in einem Brief, der den Stadträten am Mittwoch per E-Mail zuging.
Ohne den "Faulen Pelz" fehlten die dringend benötigten Plätze im Maßregelvollzug, so Lahl: "Die Zuweisung durch die Gerichte in den Maßregelvollzug haben insbesondere bei Paragraf 64 Strafgesetzbuch so stark zugenommen, dass unsere fortlaufenden und nachdrücklichen Bemühungen, ausreichend Plätze zu schaffen, damit leider nicht Schritt halten konnten." Erst ab Ende 2023 werde es durch entsprechende Neubauten an anderen Standorten Entlastung geben. "Bis dahin brauchen wir aber dringend eine Übergangslösung", so Lahl. Er könne die Bedenken der Stadt nachvollziehen: "Gleichwohl appelliere ich an ihr gesamtgesellschaftliches Verantwortungsbewusstsein."
Auch ohne die befristete Zwischennutzung für den Maßregelvollzug würde der "Faule Pelz" weiterhin leer stehen, so Lahl. Die langfristigen Pläne der Universität für die Zukunft des ehemaligen Gefängnisses würden nicht behindert. Eine Beeinträchtigung der Bevölkerung sei auch nicht gegeben, schließlich habe sie jahrzehntelang mit dem Untersuchungsgefängnis gelebt. Die psychisch kranken und suchtkranken Straftäter würden nur übergangsweise, zum Beginn ihrer Behandlung, in dem alten Gebäude untergebracht – bis ein dauerhafter Therapieplatz gefunden sei. Für Freigänger, die leicht fliehen könnten, sei der "Faule Pelz" ungeeignet. In Lahls Appell ist am Ende auch eine Drohung versteckt: "Der Druck für das Land ist so groß, dass wir eine abschlägige Baugenehmigung nicht hinnehmen könnten." In diesem Fall müsse man den "Rechtsweg beschreiten".