Neben Elektromobilität setzen die USA vor allem auf Wasserstoff um CO2-neutralen Personenverkehr zu ermöglichen. Doch einer aktuellen Studie zufolge, entpuppt sich blauer Wasserstoff, dessen Entwicklung von Bidens-Regierung gefördert wird, als möglicher Klimasünder.
Um die Rolle von Wasserstoff als möglicher klimafreundlicher Treibstoff wird seit Jahren wissenschaftlich gerungen. Nach dem gemeinsamen Auftritt von CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet und Tesla-CEO Elon Musk hatte die Debatte vor kurzem auch in Deutschland wieder Fahrt aufgenommen.
STERN PAID Zusatzheft Flut Klimaneutralität 14.55Auch US-Präsident Biden gilt als Anhänger der Energiequelle. In seinem Infrastruktur-Plan, welcher vergangenen Dienstag mit überparteilicher Unterstützung vom Senat verabschiedet wurde, werden für die Entwicklung von sauberem Wasserstoff acht Milliarden US-Dollar bereitgestellt. So soll ein klimaneutraler Kraftstoff für die Schifffahrt, Autoindustrie und das Heizen von Wohnungen entstehen.
Eine Studie der beiden Wissenschaftler Robert Howarth und Mark Jacobsen, meldet nun berichtigte Zweifel an diesen Plänen. Ihre Analyse kommt zu dem Schluss, dass "blauer Wasserstoff", welcher allen Kriterien der von Biden geförderten Kraftstoffe entspricht, umweltschädlicher sein könnte als Diesel und Kohle.
Blauer Wasserstoff entsteht durch das Aufspalten von Erdgas in Wasserstoff und Kohlendioxid. Das umweltschädliche CO2 wird im Anschluss aufgefangen und gespeichert, damit es nicht in die Atmosphäre gelangt. Allerdings fanden die Wissenschaftler heraus, dass bei diesem Prozess sehr viel Energie verbraucht und gehörige Mengen des stark wirkenden Treibhausgases Methan freigesetzt werden. Darüber hinaus würde in jedem Fall ein Teil des produzierten CO2 entweichen.
Die Forscher aus Cornell und Stanford kommen zu dem Fazit, dass die Produktion von blauem Wasserstoff in etwa 20 Prozent mehr Treibhausgase entstehen lässt als das Verbrennen von Kohle. Im Vergleich zum Kraftstoff Diesel würden bei der Entwicklung von blauem Wasserstoff sogar 60 Prozent mehr Treibhausgase freigesetzt.
Howarth und Jacobsen selbst zeigten sich überrascht von den Ergebnissen ihrer Analyse. Ungeachtet dessen sei es nicht zu empfehlen, die Mittel des Infrastruktur-Paketes für solche "Scheinlösungen" auszugeben", so Howarth. "Blauer Wasserstoff ist ein netter Marketingbegriff, mit dem die Öl- und Gasindustrie wirbt, aber er ist bei weitem nicht CO2-frei."
Die Organisation "Hydrogen Council" (Wasserstoffrat) hält gegen die Ergebnisse der Studie. Der Verein, welchem unter anderem die großen Ölkonzerne BP, Total und Shell angehören, erklärte in der Vergangenheit, dass Wasserstoff eine tragende Säule der Energiewende darstellen soll, indem er traditionelle Brennstoffe ersetzt.
Hydrogen Council geht davon aus, dass Wasserstoff bis zur Hälfte des Jahrhunderts bereits 18 Prozent des gesamten Energiebedarfs decken könnte. Ob es sich dabei allerdings um den sogenannten "grünen Wasserstoff" handelt, welcher lediglich mit erneuerbaren Energien und durch die Aufspaltung von Wasser hergestellt wird, ist unklar. In den Plänen der Biden-Regierung spielt diese Option bisher keine spezifizierte Rolle.
Die ungenaue Formulierung in Bidens Gesetz könnte schwerwiegende Folgen haben, befürchtet Carroll Muffett vom Center for International Environmental Law. "Die vielen Gelder, die jetzt fließen sollen, sind nicht kompatibel mit ernstgemeinter Klimapolitik." Muffett ist der Meinung, dass der Kongress auf der Suche nach einem politischen Erfolg die tatsächlichen Folgen für die Erderwärmung außer Acht gelassen habe. "Das Potenzial von Wasserstoff wird regelmäßig überbewertet, obwohl die positiven Auswirkungen auf das Klima immer wieder widerlegt werden."
Nachdem der Senat das Infrastruktur-Paket in seiner jetzigen Form bereits verabschiedet hat, entscheiden nun die 435 Abgeordneten des Repräsentantenhauses. Ein Erfolg in der demokratisch-dominierten Kammer gilt als sicher.
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