Wie schmeckt eigentlich unsere Region? Micha Schäfer und Billy Wagner interpretieren die Aromen Berlins in ihrem Restaurant "Nobelhart & Schmutzig". Jetzt gibt's auch einen Online-Feinkostladen mit Produkten aus dem Umland.
Nicht weit vom "Checkpoint Charlie" mitten im urbanen Zentrum Berlin-Kreuzbergs wird in einem Restaurant seit 2015 "brutal lokal" gekocht. Was nicht aus dem Umland kommt, landet nicht auf dem Teller. Das ist die Philosophie von Küchenchef Micha Schäfer im Berliner Restaurant "Nobelhart & Schmutzig". Salz, Kohle und Essig bilden die Ausnahme, aber auch die kommen zumindest aus Deutschland. Schäfers Geschäftspartner Billy Wagner versorgt die Gäste mit Weinen, die auch nach einer eigenen Philosophie ausgewählt werden.
Als die Coronakrise heranrollte und Gastronomien schließen mussten, war Kreativität gefragt: Also packten Schäfer und Wagner ihre Menüs erst in Pappkartons, dann in Einmachgläser. Erst nur für die Berliner*innen, später verschickten sie ihr Essen deutschlandweit. Und schließlich spinnte sich aus einem Notfallplan eine neue Geschäftsidee: Wieso nicht einen Online-Shop starten, in dem man ganz besondere Produkte erhält?
Nobelhart & Schmutzig"Wir möchten unseren Gästen etwas bieten, dass sie woanders nicht bekommen. Mit unserer besonderen Beziehung zu Produzent*innen, mit der besonders hohen Güte an Produktqualität", sagt Billy Wagner in einer Online-Verkostung der neuesten Schätze aus dem Shop "Hausgemachtes aus Berlin". Für Micha Schäfer geht's im Grunde darum, "die Menschen kennenzulernen, die hinter dem Produkt stehen und mit genau diesen Menschen Qualität zu entwickeln, die einen vom Hocker haut. Das geht nur, wenn man mit den Produzenten regelmäßig Kontakt hat und mit ihnen kommuniziert. So ist das nur möglich, wenn sie im Umland sind", sagte er in einem Interview mit dem stern.
Und welche Produkte hauen einen vom Hocker? Da ist die geräucherte Butter mit dem Geschmack von Buchenholzrauch. Schmeckt nach Speck, geräucherter Forelle oder Aal. Beispielsweise für alle, die sich bewusst vegetarisch ernähren, aber den Speck im Rührei vermissen. Eine absolute Geschmacksbombe. Wagner empfiehlt die Butter auf eine Tomate zu streichen: Boom, was für eine Kombination! Oder aber das Apfelpüree, das mit einer Portion Butter für vollmundige Cremigkeit sorgt. Schmeckt pur schon hervorragend, herzhaft kombiniert mit Rösti oder Rosenkohl ist es eine kulinarische Bereicherung. Mit der Haselnuss-Röstmalz-Paste geben Schäfer und Wagner der Nutella eine "brutal lokale" Antwort. Die Haselnüsse stammen aus der Nähe von München. Die Paste schmeckt ein bisschen wie flüssiges Ferrero Rocher, mit einer Prise Salz. Achtung, Suchtfaktor!
Scheinheiligkeit Michelin 16.30Schäfer und Wagner arbeiten mit außergewöhnlichen Produzent*innen zusammen. Beispielweise mit den Betreiber*innen des Erdhof Seewalde, von dort stammt die Sahne, die sie für ihre Saisonbutter verarbeiten. Ein Stück Butter also 250 Gramm kosten im Online-Shop 18 Euro. Normale Butter kostet um die zwei Euro. Wie dieser hohe Preis zustande kommt? Der Milchbetrieb Erdhof Seewald verzichtet aus ideologischen Gründen vollends auf EU-Subventionen. Ihr Credo: Sie wollen auch ohne Unterstützung überleben können. So kostet der Liter Sahne fürs "Nobelhart & Schmutzig" 20 Euro, daraus produzieren sie etwa 800 Gramm Butter. "Natürlich ist das alles wahnsinnig teuer", sagt Billy Wagner. "Aber wir bezahlen die Produzent*innen immer ordentlich. Am Ende rechnen wir von unten nach oben und so kommen wir zu unserem Endpreis, den wir den Verbraucher*innen weitergeben."
Die Tomaten stammen von Jens Wylegalla und Jule Winkler von der Ahrensdorfer Kräuterwelt. Die vergraben die Jungpflanzen der Tomaten so tief, dass nur zwei bis drei der obersten Blätter hinausschauen. Die Pflanzen werden nicht zusätzlich beregnet, was mehr Arbeit für die Pflanze bedeutet, aber alles andere als schlecht ist: Wenn die Pflanze mehr arbeitet, prägt sich der Geschmack in der Frucht. Das bedeutet, die Tomate schmeckt intensiver, das Aroma ist konzentrierter. Maximal zwei Früchte trägt eine Pflanze bei dieser Methode. Der Ansatz ist speziell, aber Produktqualität auf die Spitze getrieben.
"Wir wollen mit unseren Produkten bereichern und zeigen, wie die Region schmeckt", sagt Wagner und löffelt schon das nächste Produkt: salziges Karamell, natürlich mit Sahne und einer Prise Salz.