Stuttgart. (dpa) Die grün-schwarze Koalition will mit dem Nachtragshaushalt 220 zusätzliche Stellen finanzieren - aber wofür werden die gebraucht? Der größte Teil besteht aus 125 Lehrerstellen, die zunächst wegfallen sollten und jetzt wegen Corona und Lernlücken doch weiterfinanziert werden. Darüber hinaus gibt es Kosten für die Regierungsbildung: Das neu geschaffene Ministerium für Landesentwicklung und Wohnen erhält 36 Stellen. Bleiben noch 59 Stellen. Ursprünglich wollten die Ministerien deutlich mehr neue Posten schaffen. Dem Vernehmen nach hatten vor allem die beiden grünen Ressorts für Wissenschaft und Verkehr wesentlich größere Wünsche. Doch in der Haushaltskommission wurde die Liste noch mal um 20 Stellen gekürzt.
Nach dpa-Informationen wurden unter anderem dem Gesundheitsministerium von Manne Lucha (Grüne) zwölf neue Stellen zugestanden zur Stärkung des öffentlichen Gesundheitsdienstes, der in Corona-Zeiten stark belastet ist. Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne) darf zehn Professorenstellen im Kompetenzzentrum für Künstliche Intelligenz schaffen. Das Verkehrsministerium von Winfried Hermann (Grüne) erhält zwei neue Posten für den Lärmschutz, zwei für das Bahnprojekt Stuttgart 21 und zwei für die Ausarbeitung neuer Tarifangebote im Öffentlichen Nahverkehr. Das CDU-geführte Agrarministerium bekommt fünf Stellen, um den Ausbau der Windkraft im Staatsforst voranzutreiben.
Das Staatsministerium von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) erhält zusätzlich drei Stellen, um das neue Ressort im Auge behalten zu können - in einem sogenannten Spiegelreferat. Das Finanzministerium von Ressortchef Danyal Bayaz (Grüne) darf sich über 5,5 zusätzliche Stellen freuen. Es werden 3,5 Stellen erhalten, die eigentlich wegfallen sollten. Zudem ist eine ist für die Beschäftigung mit Green Bonds (Klimaanleihen) reserviert, eine weitere soll ebenfalls den Kontakt zum neuen Bauministerium halten.
Die Kosten für die Regierungsbildung im Nachtragsetat werden dem Vernehmen nach auf 9 Millionen Euro taxiert. Zur Finanzierung der Stellen müssen die Ministerien einen Sparbeitrag leisten - insgesamt in Höhe von 10 Millionen Euro. Aber: Die Stellen müssen ja dauerhaft finanziert werden. Und: Erfahrungsgemäß sorgt jede Stelle in den Ministerien für Mehrarbeit in unteren Behörden, wo dann auch neue Stellen geschaffen werden müssen.
Grün-Schwarz hat schon in der vergangenen Legislaturperiode in den Ministerien 600 Stellen geschaffen und damit den Apparat auf insgesamt 3800 Stellen vergrößert. Grün-Rot hatte in den fünf Jahren davor 300 neue Posten geschaffen. Nur: Das war vor Corona, als die Steuerquellen noch sprudelten. Nun klaffen wegen der Pandemie große Lücken im Haushalt.
Update: Freitag, 25. Juni 2021, 9.39 Uhr
Nachtragsetat hat Volumen von über einer Milliarde Euro
Stuttgart. (dpa) Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann hat bestätigt, dass der geplante Nachtragshaushalt ein Volumen von "über einer Milliarde" Euro haben wird. Es handele sich trotzdem um einen "schmalen Nachtrag", mit dem die Corona-Folgen abgemildert werden sollten, sagte der Grünen-Politiker am Dienstag in Stuttgart. Er bekräftigte, mit dem Nachtrag solle das Programm zur Schließung von Lernlücken bei Schülerinnen und Schüler finanziert werden. Man brauche aber auch hohe Rücklagen, um für den Verlauf der Pandemie gewappnet zu sein. Am Abend werde die Haushaltskommission der Koalition den Etat voraussichtlich beschließen. "Ich gehe davon aus, dass da ein Knopf drankommt", sagte Kretschmann.
Die Landesregierung plant dem Vernehmen nach, die Corona-Krise erneut zur Naturkatastrophe zu erklären und damit die Schuldenbremse zeitweise auszusetzen. Über diesen Weg sollen neue Kredite in Höhe von knapp einer Milliarde Euro aufgenommen werden, um die Folgen der Pandemie abzumildern. Das Land will unter anderem den Kommunen unter die Arme greifen, auch durch Hilfen für den öffentlichen Nahverkehr.
Die grün-schwarze Vorgängerregierung hatte Ende vergangenen Jahres zur Bewältigung der Pandemie im Nachtrag 13,5 Milliarden Euro neue Schulden aufgenommen - auch hier hatte man argumentiert, Corona sei als außergewöhnliche Notsituation zu verstehen. Nun hat das Land aber auch noch die Möglichkeit, die bei der Schuldenbremse vorgesehene Konjunkturkomponente für weitere Kredite zu nutzen. Weil die Wirtschaft wegen Corona geschrumpft ist, kann die Regierung dem Vernehmen nach nochmal über 200 Millionen Euro Schulden aufnehmen. Allerdings müssen diese Kredite schnell wieder zurückgeführt werden, wenn die Konjunktur wieder anzieht.
Der Haushaltskommission gehören neben Kretschmann Finanzminister Danyal Bayaz (Grüne), Innenminister Thomas Strobl (CDU), die Fraktionschefs von Grünen und CDU sowie die finanzpolitischen Sprecher der beiden Fraktionen an.
Update: Dienstag, 22. Juni 2021, 13.15 Uhr
Grün-Schwarz will wegen Corona neue Kredite von knapp einer Milliarde
Stuttgart. (dpa) Grün-Schwarz in Baden-Württemberg will die Corona-Krise erneut zur Naturkatastrophe erklären, um neue Schulden aufnehmen zu können. Darauf hätten sich die Spitzen der Koalition um Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) am Dienstagabend in der Haushaltskommission verständigt, erfuhr die Deutschen Presse-Agentur am Mittwoch aus Koalitionskreisen in Stuttgart. Allerdings soll die Kreditaufnahme über das zeitweise Aussetzen der Schuldenbremse auf knapp unter einer Milliarde Euro begrenzt werden.
Dem Vernehmen nach wollen die Spitzen der Koalition damit weiteren Begehrlichkeiten von Ministerien und Fraktionen einen Riegel vorschieben. Das frische Geld soll demnach zum Großteil in eine Corona-Rücklage fließen, um auf weitere Folgen der Pandemie vorbereitet zu sein. Damit soll zum Beispiel der Weiterbetrieb der Impfzentren finanziert werden.
Die alte grün-schwarze Regierung hatte Ende vergangenen Jahres zur Bewältigung der Pandemie im Nachtrag 13,5 Milliarden Euro neue Schulden aufgenommen - auch hier hatte man argumentiert, Corona sei als außergewöhnliche Notsituation zu verstehen. Grün-Schwarz hätte darüber hinaus noch die Möglichkeit, die bei der Schuldenbremse vorgesehene Konjunkturkomponente für weitere Kredite zu nutzen.
Update: Mittwoch, 16. Juni 2021, 17.30 Uhr
Stuttgart. (dpa) Die Spitzen der grün-schwarzen Koalition ringen weiter um den geplanten Nachtragshaushalt. Nach der Einigung auf die Eckpunkte wollen sie in der kommenden Woche erneut beraten. Der erste Schritt im Verfahren sei geschafft. Die Grundzüge seien besprochen, teilten der Grünen-Fraktionschef Andreas Schwarz und sein CDU-Kollege Manuel Hagel am Mittwoch in Stuttgart gemeinsam mit. Die Regierung wird wahrscheinlich weitere Schulden aufnehmen müssen, um den Haushalt finanzieren zu können.
Schwarz und Hagel erklärten weiter: "Alle weiteren Details - einschließlich der Frage, in welchem Umfang wir Geld benötigen - werden wir in einer weiteren Sitzung der Haushaltskommission klären und die offenen Punkte dann näher beleuchten." So viel sei bereits klar: Bei der benötigten Summe werde man sich streng am Bedarf orientieren. Am späten Dienstagabend hatten sich die Spitzen der grün-schwarzen Koalition auf die Eckpunkte verständigt. Da tagte die Haushaltskommission unter Leitung von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne). Nun sollen erst einmal die Koalitionsfraktionen über die Eckpunkte beraten.
Finanzminister Danyal Bayaz (Grüne) sagte, man werde sich auf das Wesentliche konzentrieren und das Land gegen weitere Corona-Risiken absichern. "Der Kampf gegen die Pandemie und ihre Folgen ist auch die beste Finanzpolitik, denn so stabilisieren wir die Konjunktur, und sorgen wieder für steigende Steuereinnahmen in der Zukunft." Das Land solle weiterhin so gut es geht durch diese Krise gebracht werden. "Darauf liegt der Schwerpunkt. Wenn wir neue Kredite aufnehmen sollten, dann müssen sie diesem Ziel dienen, da sind wir uns einig."
Der FDP-Finanzpolitiker Stephen Brauer sagte: "Außer Spesen nichts gewesen. Es reicht eben nicht, sich nur der gegenseitigen Wertschätzung zu versichern, sondern man muss auch klare Entscheidungen treffen und diese dann auch endlich klar kommunizieren." Die AfD sieht keinen Bedarf für einen Nachtragshaushalt. Sie warnte vor weiteren neuen Schulden.
Kretschmann hatte vor der letzten Sitzung der Kommission schon angedeutet, dass das Land erneut die Corona-Krise zur Naturkatastrophe erklären könnte, um an frisches Geld zu kommen. Das wurde vom Umweltverband BUND begrüßt. Dann könnten die Schuldenbremse gelockert und die Folgekosten der Pandemie besser gestemmt werden, erklärte die Landesvorsitzende Sylvia Pilarsky-Grosch. Die Infrastruktur müsse klimafest gemacht werden.
Der Nachtragshaushalt soll aus Kretschmanns Sicht auch ein Sofortprogramm zur Bewältigung der coronabedingten Lernlücken von Schülern abdecken. Hinzu kämen Hilfen für Kommunen, den Handel, die Innenstädte, die Gesundheitsämter und den öffentlichen Nahverkehr.
Die grün-schwarze Vorgängerregierung hatte Ende vergangenen Jahres zur Bewältigung der Pandemie im Nachtrag 13,5 Milliarden Euro neue Schulden aufgenommen - auch hier hatte man argumentiert, Corona sei als außergewöhnliche Notsituation zu verstehen.
Die neue Koalition will nun auch mit Investitionen eigene Akzente setzen, auch wenn die Kassen wegen der Pandemie ziemlich leer sind. So soll mehr Geld in den Ausbau des schnellen Internets und die Förderung der grünen Wasserstofftechnologie als Ersatz für fossile Brennstoffe fließen. Hier steht die Landesregierung unter Zugzwang, weil der Bund diese Projekte nur dann fördert, wenn das Land sie mitfinanziert. Zudem muss die Bildung der neuen Regierung, also etwa das neue Bauministerium und die zusätzlichen Staatssekretäre, finanziell unterfüttert werden.
Bayaz will Finanzreserven aus dem letzten Nachtragsetat einsetzen - etwa den Fonds "Zukunftsland BW - Stärker aus der Krise", der ursprünglich ein Volumen von 1,2 Milliarden Euro hatte. Allerdings ist nach Angaben des Finanzministeriums bereits weit mehr als die Hälfte des Geldes aus dem Fonds schon abgerufen oder verplant.
Bei der Entscheidung über neue Schulden dürfte auch eine Rolle spielen, wie stark das Land den von Corona ebenfalls gebeutelten Kommunen erneut unter die Arme greift. Der Haushaltskommission gehören neben Kretschmann und Bayaz Innenminister Thomas Strobl (CDU), die Fraktionschefs von Grünen und CDU sowie die finanzpolitischen Sprecher der beiden Fraktionen an.