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Westukrainischer Stadtrat benennt Stadion nach SS-Kollaborateur – Israel und Polen protestieren

Der 5. März war in der ukrainischen Gebietshauptstadt Ternopol ein besonderer Gedenktag – an diesem Tag im Jahre 1950 wurde der bekannteste Anführer der ukrainischen Nationalisten Roman Schuchewitsch von sowjetischen Aufklärern bei einem Schusswechsel getötet. Da Schuchewitsch während des Zweiten Weltkrieges und danach Oberbefehlshaber der Ukrainischen Aufstandsarmee (UPA) war, wird er in der heutigen Ukraine offiziell als Kämpfer für die Unabhängigkeit und als Held gefeiert.

Am 5. März kündigte der Stadtrat von Ternopol an, die Initiative des Bürgermeisters zur Umbenennung des städtischen Stadions nach Schuchewitsch, zu unterstützen. Der Stadtrat wird von der nationalistischen Swoboda-Partei beherrscht und stimmte einstimmig für das Vorhaben. 

"Der UPA-Oberbefehlshaber war nicht nur ein vorbildlicher Kommandant, sondern auch ein guter Sportler und führend in vielen Sportarten. Der Sport- und patriotische Wettbewerb 'Schuchewitsch-Pokal' findet ausgerechnet in Ternopol statt", erklärte Bürgermeister Sergei Nadal die Initiative.

Der Beschuss der Ternopoler Abgeordneten hat den israelischen Botschafter Joel Lyon zum heftigen Protest veranlasst. Da Schuchewitsch ihm zufolge am Massenmord an Juden in der Westukraine beteiligt gewesen war, forderte er den Stadtrat auf, die Entscheidung rückgängig zu machen. 

Bürgermeister Nadal kommentierte den Beitrag des Botschafters. Er sagte, Lyon sei ein Opfer der "sowjetischen Geschichtsschreibung". In einem Facebook-Beitrag wies er darauf hin, dass jede Nation eigene Helden braucht, wenn sie unabhängig werden will, und nannte historische Figuren wie George Washington und Menachem Begin als Beispiel. 

Am nächsten Tag reagierte auch das ukrainische Außenministerium auf die Aussage des israelischen Botschafters. Der Sprecher des Ministeriums Oleg Nikolenko schrieb auf Twitter, dass die Erhaltung des nationalen Gedächtnisses eine Priorität der ukrainischen Staatspolitik sei.

Am Donnerstag sprach sich das Institut des Nationalen Gedenkens Polens gegen die Entscheidung der Behörden von Ternopol aus und veröffentlichte in den sozialen Medien eine entsprechende Erklärung.

"Roman Schuchewitsch gehörte als Führer der OUN zu den besonders eifrigen Befürwortern der brutalen Säuberungen und der physischen Vernichtung der polnischen Bevölkerung", betonte das Institut.

"Die ukrainische Verherrlichung Schuchewitschs beleidigt die Erinnerung an die polnischen, jüdischen und ukrainischen Opfer der ukrainischen Nationalisten der OUN-UPA. Diese von ukrainischen Nationalisten durchgeführte antipolnische ethnische Säuberung hatte den Charakter eines Völkermordes", so das Institut in seiner Erklärung.

Das Rathaus der Stadt Zamość in Polen gab nach der Nachricht über die Umbenennung des Stadions bekannt, dass es die Partnerschaft mit Ternopol beendete. So werde die Finanzierung des Projekts "Eine gemeinsame Geschichte von Ternopol und Zamość" eingestellt, für das Polen fast 70.000 Euro bereitstellen wollte.

Neben dem Gründer der Organisation der ukrainischen Nationalisten (OUN) Stepan Bandera gehört Schuchewitsch zu den bekanntesten "Ikonen" des ukrainischen Nationalismus. Aber im Unterschied zu Bandera war Schuchewitsch an zahlreichen Militäraktionen unmittelbar beteiligt. Vom Beginn des Zweiten Weltkrieges an bis zu seinem Tod im Jahre 1950 war er immer Offizier oder leitendes Mitglied verschiedener militanter Einheiten der Nationalisten.

In der ersten Hälfte des Krieges standen diese unter unmittelbarer Obhut der deutschen Nazi-Truppen. Als Hauptmann des Bataillons "Nachtigall" gehörte Schuchewitsch zum Sabotage- und Aufklärungsregiment "Brandenburg 800" der Abwehr, das in den ersten Reihen des Überfalls auf die Sowjetunion stand (einige seiner Einheiten betraten das Territorium der UdSSR schon vor dem 22. Juni 1941). Das heißt, diese militärische Einheit rückte in der Vorhut der deutschen Armee vor. Und in der Nacht vor dem blutigen jüdischen Pogrom in Lwow (Lemberg) am 30. Juni betrat "Nachtigall" bereits die Stadt.

Nach "Nachtigall" war das 201. Bataillon der Schutzmannschaft – eine Hilfspolizei – gebildet worden, in dem auch Schuchewitsch als stellvertretender Kommandant diente. Das Bataillon stand unter dem Kommando von SS-Obergruppenführer Erich von dem Bach. Im Frühjahr und Herbst 1942 nahm das Bataillon an Aktionen gegen Partisanen in Weißrussland teil.

Seit Anfang 1943 war Schuchewitsch an der Formierung der UPA beteiligt. Er gehörte zu denjenigen Anführern, die zu ihrem Hauptziel den Kampf gegen die vorrückenden Sowjettruppen und Partisanen erklärten. Viele polnische Historiker halten Schuchewitsch auch für mitverantwortlich am sogenannten Wolhynien-Massaker an der polnischen Zivilbevölkerung. Damals starben infolge der bewaffneten Angriffe der UPA-Mitglieder bis zu 100.000 Personen.

Nach dem Krieg leitete Schuchewitsch den Kampf gegen die Sowjetmacht aus dem Untergrund. Diesem "Krieg nach dem Krieg" fielen auf beiden Seiten Zehntausende Menschen zum Opfer. Zu den bewährten Kampfmittel der ukrainischen Nationalisten gehörte u.a. die gezielte Tötung von Sowjetbeamten und "kollaborierenden" Bauern.

Reue für den "Holodomor"

Diplomatische Skandale um die Ehrung ukrainischer Nationalisten gehören inzwischen zum Alltag. So hatte der israelische Botschafter den sogenannten Bandera-Marsch am 1. Januar scharf verurteilt. Am nächsten Tag twitterte er:

"Wir verurteilen auf das Schärfste jede Verherrlichung von Kollaborateuren mit dem Nazi-Regime. Es ist Zeit für die #Ukraine, sich mit ihrer Vergangenheit auseinanderzusetzen."

Dieses Statement löste Proteste vor der israelischen Botschaft aus. Dutzende Mitglieder rechtsradikaler Organisationen haben am 6. Januar den Eingang zur Botschaft in Kiew mit entzündeten Fackeln umzingelt. Offenbar mit Anspielung auf die jüdische Herkunft vieler sowjetischen Anführer der 1920er- und 30er-Jahre forderten sie nun Israel auf sich für den sogenannten Genozid an Ukrainer – den "Holodomor" – zu entschuldigen.

"Bereuen Sie den Völkermord! Wann wird Israel den Holodomor anerkennen? Kommt und sucht Gerechtigkeit!", stand auf Plakaten und Werbeflyern der Nationalisten.

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