Von Christiane Barth
Sinsheim-Weiler. Die Blätter der Reben leuchten golden in der Herbstsonne. Das Laub an den Burgunder-Stöcken schimmert rot. Doch für die Winzer rund um Sinsheim sieht es zurzeit nicht wirklich rosig aus. Ohne Idealismus und viele neue Ideen wäre das alles kaum zu schaffen.
Peter Zipse knipst mit der Schere Äste ab, macht Rebstöcke "winterdicht". Er liebt seine Arbeit, seinen Arbeitsplatz, doch auf sein Gehalt verzichtet er im Moment. Denn das Weingut soll die Corona-Krise überstehen. Die Fässer sind voll. Mit bestem Wein und mit großer Sorgfalt gekeltert. Aber wer soll ihn trinken? Die Restaurants, darunter auch das eigene, sind geschlossen, Veranstaltungen und Feste abgesagt, die Weinwanderungen ebenfalls. "Alleine trinken die Leute nicht so gerne, es macht in Gesellschaft einfach mehr Spaß", meint der Winzer, der jetzt einen Online-Shop einrichten will und seiner Überzeugung treu bleibt: "Das Leben ist zu kurz für schlechte Weine. Ich lasse mir die Freude am guten Tropfen nicht nehmen", redet sich Zipse Mut zu.
Die "Küferschänke" ist geschlossen, draußen aber gibt es noch was zu tun. Das heißt für die Beschäftigten, Kochlöffel oder Putzlappen gegen die Rebschere zu tauschen. Umdenken ist gefragt. "Es ist aber ein riesiger Mehraufwand, denn ich muss den Leuten ja auch beibringen, wie das hier draußen funktioniert", räumt der Winzer ein. Der Rebschnitt ist eine Wissenschaft für sich: "Ich habe das nicht umsonst dreieinhalb Jahre lang gelernt", sagt Zipse. In diesem Jahr ist der Schnitt zudem komplizierter, denn Anfang des Jahres gab es kurz nach dem Austrieb Frost, was den Reben geschadet hat. Man muss Bescheid wissen, welche Rute man abschneiden darf. Vor Corona hatte der Betrieb noch 20 Beschäftigte, derzeit sind es noch elf.
Der November und Dezember sind in der Regel starke Absatzmonate für die Winzer. Dieses Jahr ist der Hofverkauf zwar weiterhin geöffnet. Dass alle Veranstaltungen abgesagt wurden, der Gastronomie die Hände gebunden sind, macht Angst. Zumal auch "hohe Investitionen", wie etwa die Anlage weiterer Burgunder-Anbauflächen im nächsten Jahr geplant sind. Geschätzte Kosten: 20.000 Euro. Auch die Aronia-Beeren, ein weiteres Geschäftsfeld, das sich Zipse in den letzten Jahren aufgebaut hat, will er im Winter pflanzen. Noch mal 10.000 Euro. Jetzt steht er vor der Frage: "Kann ich das Geld investieren oder muss ich es für die laufenden Kosten zurückhalten?" Bei Letzterem werde die betriebliche Zukunft geschwächt. Ersteres aber ist vielleicht notwendig, um den Betrieb überhaupt am Laufen zu halten. Keine leichte Entscheidung. Die Familie – Vater Bernd Zipse ist Inhaber des Weingutes und des Hotel-Restaurants, die Aronia-Manufaktur steht auf den Namen Peter Zipse – verzichtet auf ihr Gehalt, damit die Beschäftigten bezahlt werden können und der Laden weiterläuft. "Der Betrieb, das ist unsere Zukunft", argumentiert der Winzer und rät: "Unterstützt eure Winzer vor Ort."
Kollege Tobias Nägele, der einen Teil der Anbauflächen von Rüdiger Graf zu Hoensbroech in Angelbachtal übernommen hat und für den Messen ein wichtiger Absatzmarkt sind, will weiterhin innovativ sein, sich neue Vertriebskanäle erschließen, wie etwa die "Online-Weinprobe", die sehr gut angelaufen sei. Der Wein wird frei Haus geliefert, die Verkostung per Youtube-Kanal vom Winzer begleitet. "Damit erreiche ich auch Kundschaft aus Hamburg", meint der 42-Jährige, der seit acht Jahren in Weiler keltert und mit der im Internet angeleiteten Verkostung den Gewinn in der größeren Reichweite sieht.
Die Weinprobe vor dem heimischen Rechner habe auch den Vorteil, dass der Kunde nach Belieben Pausen einlegen könne und kein Auto mehr bewegt werden müsse. Der Hofverkauf hat auch hier weiterhin geöffnet. Dafür ist Nägele, der seine Wurzeln im Schwäbischen hat, dankbar. Auch über den Online-Shop werde Absatz generiert. In den benachbarten Gütern sieht er keine Konkurrenz. "Wir sitzen alle im gleichen Boot", unterstreicht Nägele. "Jeder versucht einfach, seinen Stil zu machen."
Seiner sei, es nicht jedem recht machen zu wollen: "Sonst verliert man sein Profil." Langlebige, vorwiegend trockene Weine und für hiesige Breiten exotische Sorten wie Sauvignon Blanc oder Cabernet Franc sollen es sein, eine Riesling-Sorte lässt Nägele im Granitfass reifen. Nach den Erfahrungen aus neun Herbsten will Nägele sein Gut nun auf biologischen Weinbau umstellen.
Auch "Zoom"-Internet-Konferenzen mit Interessenten zählen inzwischen zu Nägeles Arbeitsalltag. In der Krise müsse man versuchen, neue Möglichkeiten auszuschöpfen: Er denkt an Weinpakete in Verbindung mit einer Online-Weinprobe als Ersatz für die vielen Weihnachtsfeiern der Unternehmen, die in diesem Jahr ausfallen. "Es ist der falsche Ansatz, jetzt den Kopf in den Sand zu stecken", sagt Nägele.
Susanne Blank und Gerhard Uhler, für die der Weinbau ein geliebtes Hobby ist, setzen auf Nischenprodukte, darunter alkoholfreien Kürbis-Secco, die Kombination von Trauben- und Aronia-Saft oder den "Monarch-Traubensaft", alles Produkte, die sie auch über den Hofladen Uhler in Reihen verkaufen. Dort wurde der landwirtschaftliche Betrieb ausgedehnt, werden vermehrt Kürbisse und Zuckerrüben angebaut. Außerdem versuchen die beiden, den Absatz über den Wochenmarkt in Sinsheim zu regeln, auf dem alkoholische Getränke verkauft werden dürfen. Im Hofladen sei das nicht möglich, da das Bezahlsystem dort über eine schlichte Kasse funktioniert, in die der Kunde auf Vertrauensbasis das Geld einwirft. Der Verkauf von Alkohol setzt jedoch ein kontrolliertes Verkaufssystem voraus.