Als der Reformator und Bauernprediger Thomas Müntzer in der zweiten Maihälfte 1525 im thüringischen Heldrungen eingekerkert war, neigte sich eine bemerkenswerte Biographie ihrem Ende zu. Dem Mittdreißiger mußte es klar gewesen sein, daß er für seine Rolle im Deutschen Bauernkrieg mit dem Leben bezahlen würde. Denn die Obrigkeit im Reich ließ keinen Zweifel aufkommen, wie sie mit den Aufständischen zu verfahren gedachte.
Nach der verlorenen Schlacht von Frankenhausen war Müntzer als einer der wenigen Überlebenden des Bauernhaufens von den Landsknechten der Adligen gefangen genommen worden. Durch die Folter sollte der Reformator zunächst dazu gebracht werden, seine Überzeugungen zu widerrufen, wonach das einfache Volk sich gegen die Obrigkeit auflehnen sollte. Doch er blieb standhaft.
Der 1513 zum Priester geweihte Müntzer, der 1521 eine ehemalige Nonne heiratete, gab sich keinen Illusionen über die Erfolgsaussichten des Aufstands mehr hin. In seinem Abschiedsbrief rief er die Bauern dazu auf, das Blutvergießen zu beenden. Dabei dürfte er noch unter dem Eindruck des eigenen Schlachterlebnisses gestanden haben, das ihm die Chancenlosigkeit der schlecht bewaffneten Rebellen gegen professionelle Soldaten vor Augen geführt hatte. In Erwartung seiner Strafe vertraute er sein Leben seinem Schöpfer an. So heißt es in seinen letzten Zeilen: „Nachdem es Gott also wohlgefällt, daß ich von hinnen scheiden werde in wahrhaftiger Erkenntnis des göttlichen Namens“.
Bauernkrieg forderte 75.000 Tote
Am 27. Mai wurde Thomas Müntzer vor den Toren der Stadt Mühlhausen hingerichtet. Nachdem er enthauptet wurde, spießte man seinen Körper und seinen Kopf auf Pfähle und stellte sie zur Abschreckung auf.
Der vormals von ihm bewunderte Reformator Martin Luther fällte ein vernichtendes Urteil über ihn. Der Begründer des Protestantismus nannte Müntzer vor dessen Tod den „Erzteufel, der zu Mühlhausen regiert und nichts denn Raub, Mord, Blutvergießen anrichtet“. Zuvor hatte Müntzer wiederum Luther vorgeworfen, daß er „durch den Diebstahl der heiligen Schrift die Christenheit also ganz jämmerlich besudelt hat“. Denn Luther hatte die radikale Lehre Müntzers und den Aufruf zum Kampf gegen die Herrscher nicht mitgetragen.
Nach Schätzungen verloren im Deutschen Bauernkrieg bis zu 75.000 Menschen ihr Leben. Die überlebenden Aufständischen mußten die Strafgerichte ihrer Landesherren fürchten. Wer als einfacher Teilnehmer der Erhebung nur ein Bußgeld zahlen mußte, war gut bedient. Oft bestanden die Strafen in Verstümmelungen wie Augenausstechen oder Fingerabschlagen. Als Kollektivstrafen büßten Orte ihre Rechte ein, wenn sie im Verdacht standen, den Aufstand unterstützt zu haben. Waffen mußten abgeliefert werden, Feste und der Besuch der Dorfschenken wurde verboten.
Marxistische Historiker irrten sich
Wie schon der Bauernanführer Florian Geyer erlebte auch Thomas Müntzer im 20. Jahrhundert eine kurzzeitige Renaissance. Marxistische Historiker in der DDR bemühten sich darum, ihn als radikalen Revolutionär zu stilisieren und im Sinne ihrer Ideologie zu vereinnahmen. Ihrer Deutung nach habe Müntzer danach gestrebt, eine klassenlose Gesellschaft zu verwirklichen. So deuteten Marxisten den Deutschen Bauernkrieg als frühbürgerliche Revolution.
Doch dabei handelte es sich um eine irrige Annahme. Denn ein Blick auf die Ereignisse der Jahre 1524-1525 zeigt, daß die unterschiedlichen Bauernhaufen noch nicht einmal untereinander eine dauerhafte Vereinigung, geschweige denn eine neue Gesellschaftsordnung anstrebten.
Kirchenschändungen waren Wetterleuchten des Dreißigjährigen Krieges
Überzeugender ist die Deutung, daß es sich bei den vielen regionalen Aufständen, die unter dem Begriff Bauernkrieg zusammengefaßt werden, um räumlich begrenzte Ereignisse handelte. Dabei verfolgten die Rebellen ganz unterschiedliche Ziele. Aber ein Streiten für eine umfassende Gesellschaftsreform waren sie nicht. Nichts macht das deutlicher als der Umstand, daß einzelne Bauernhaufen sich auflösten, sobald sich die von ihnen bedrängten Herren scheinbar ihren Forderungen beugten.
Der Obrigkeit gelang es schließlich, bis 1526 mit harter Hand die Ordnung wiederherzustellen. Die Gewaltausbrüche der Bauern gegen Kirchen und Klöster hatte jedoch schon gezeigt, welches Konfliktpotential die Reformation geweckt hatte. Sie gaben einen Vorgeschmack auf eine Krise bis dato ungekannten Ausmaßes. Denn weniger als ein Jahrhundert später sollte das Deutsche Reich für dreißig Jahre zum Schauplatz eines europäischen Staats- und Religionskrieges werden, gegen den die Bauernaufstände wie ein Geplänkel wirkten.