Von Martin Bernhard
Buchen/Walldürn. Mit der Buchhandlung Volk in Buchen und "Mein Bücherladen" in Walldürn existieren im Mittelbereich Buchen zwei klassische Buchhandlungen. Doch der Internethandel macht stationären Buchhandlungen das Leben schwer.
Zur Weihnachtszeit werden zwar mehr Bücher gekauft. Viele Verbraucher tun dies jedoch bei großen Internethändlern und nicht in Buchhandlungen. Wir haben mit Johannes Volk und Gabi Eder-Herold über ihre Arbeit und über die Herausforderungen für kleine Buchhandlungen gesprochen.
Wie veränderte sich der Buchhandel in den vergangenen Jahren?
Johannes Volk: Ich bin seit dem Jahr 2009 Buchhändler. Die Tätigkeiten jenseits meiner eigentlichen Arbeit als Buchhändler haben zugenommen, zum Beispiel aufgrund rechtlicher Normen. Darüber hinaus wünschen die Kunden immer häufiger, dass Bücher länger lieferbar sein sollten. Denn Bilder von Buchtiteln im Internet erwecken bei den Nutzern den Eindruck, dass die Bücher noch lieferbar sind. Oft sind sie aber schon vergriffen. Außerdem erwarten Kunden ein größeres Buchangebot in der Buchhandlung vor Ort. Andererseits ist das Geschäft schnelllebiger geworden. Von Kinderbüchern zum Beispiel aus den 80er Jahren gibt es oft keine Neuauflage mehr. Mehr Publikationen bleiben für immer kürzere Zeit auf dem Markt.
Gabi Eder-Herold: In den vergangenen zwei Jahrzehnten gab es erhebliche Konzentrationsprozesse sowohl bei Verlagen als auch bei Buchhandlungen. Buchhandelsketten erhöhten zunächst ihre Standortanzahl und Flächengröße in innerstädtischen Toplagen großer und mittlerer Städte. Fast gleichzeitig sank die Vielfalt inhabergeführter Buchhandlungen durch Schließungen. Seit der flächendeckenden Verfügbarkeit des Internets haben nun auch große Buchhandelsketten Schwierigkeiten, die hohen Mieten ihrer großen Ladenflächen zu erwirtschaften. Weiterhin sind Buchhandlungen jedoch mit großen Abstand der beliebteste Ort, um Bücher zu kaufen.
Wie suchen Sie Bücher aus? Und wie oft tauschen Sie die Auswahl?
Volk: Zwei Mal im Jahr erhalten wir Verlagsvorschauen. Außerdem kommen die Vertreter der Verlage ins Haus. Die Hälfte meiner Kaufentscheidung treffe ich auf der Grundlage von Gesprächen mit den Vertretern und von Zusammenfassungen des Buchinhalts. Zu 30 Prozent nehme ich Bücher, die ich gut finde oder von denen ich weiß, dass meine Stammkunden sie gut finden. Schließlich achte ich darauf, was Kunden bei mir bestellen. Begehrte Bücher halte ich dann vorrätig. Zweimal im Jahr, im Frühjahr und Herbst, ändere ich die Auswahl der Bücher in meiner Handlung.
Eder-Herold: Verlage erstellen in der Regel zwei "Verlagsprogramme" im Jahr. Dazu werden den Buchhändlern über Kataloge Buchneuheiten vorgestellt und eine Auswahl von Leseexemplaren hinzu gepackt. Vertreter der Verlage bereisen Buchhandlungen etwa im Februar und August. Die bestellten Neuerscheinungen werden nicht auf einmal produziert. Sie erreichen die Buchhandlungen nach und nach, so dass es immer neue Bücher gibt. Unsere Schaufenster dekorieren wir in Walldürn etwa alle vier Wochen um.
Wieviel Einfluss hat Ihr persönlicher Geschmack bei der Auswahl?
Volk: Mein persönlicher Geschmack spielt bei der Auswahl von Sachbüchern und Belletristik eine Rolle. Aktuell halte ich rund 18.000 verschiedene Bücher vor. Ich lese in relativ viele Neuerscheinungen rein, das heißt, die ersten 30 bis 40 Seiten.
Eder-Herold: Unser eigener Geschmack spielt für uns privat eine große Rolle. So vergessen wir natürlich nicht, Bücher zu bestellen, die uns auch selbst gefallen. Schließlich empfehlen wir diese Bücher auch lieber. Als Wirtschaftsbetrieb ist es wichtiger, dass das Sortiment dem Geschmack unserer Kunden möglichst nahekommt. Bei der Auswahl stellen wir uns dabei Frau B. oder Herrn M. als künftigen Käufer eines Buches durchaus vor. Sobald das Buch da ist, wird es für uns spannend, ob wir richtig lagen.
In welchem Zusammenhang stehen Ihrer Meinung nach der Erfolg eines Buches und seine Platzierung im Buchhandel?
Volk: Der Verkaufserfolg eines Buches hängt stark von seiner Präsentation ab. Und auch davon, ob ich als Buchhändler meinen Kunden ein Buch empfehle.
Eder-Herold: Weil Buchhandlungen der wichtigste Verkaufsort für Bücher sind, erhöht es die Chancen eines Buchs, wenn es in möglichst vielen Geschäften vorhanden ist und gefunden werden kann. Stapel erhöhen die Aufmerksamkeit im Allgemeinen. Gerüchte besagen, dass in großen Buchhandlungen in frequenzstarker Lage Verlage Flächen im Eingangsbereich der Buchhandlung zeitweise anmieten, um dort eine Industriepalette eines Buches zu platzieren. Genauso ist das Erscheinen eines Buches auf der Startseite eines Onlineshops sicher vorteilhaft.
Wodurch lassen sich unentschlossene Kunden am besten zum Kauf eines Buches bewegen?
Volk: Die meisten Kunden kommen mit genauen Vorstellungen in meine Buchhandlung oder sie lassen sich beraten.
Eder-Herold: Durch den Hinweis, dass sie das Buch jedoch auch umtauschen können.
Wie viele Bücher müssen Sie zurückschicken?
Volk: Ich habe eine sehr geringe Remissionsquote. Die Verlage verpflichten sich dazu, Bücher, die wir nicht verkaufen, zurückzunehmen.
Eder-Herold: Grundsätzlich haben Buchhändler die Bücher in Ihren Läden mit eigenverantwortlichem Risiko gekauft. Rückgaben nicht verkaufter Bücher sind eine Kulanzangelegenheit zwischen Verlag und Buchhandlung, über die beim Vertreterbesuch gesprochen wird. Buchhändler können so einen einstelligen Prozentsatz ihres Einkaufs remittieren und gegen quasi neue Bücher tauschen.
Wird der Onlineverkauf genauso angenommen wie der im Laden?
Volk: Er wird gut angenommen und wächst seit Jahren. Zwei Drittel der Kunden, die online bestellen, holen ihr Buch bei mir in der Handlung ab. Die anderen Bücher verschicke ich selbst oder liefere sie aus.
Eder-Herold: Der Webshop des BücherLadens existiert seit zwanzig Jahren und wurde in dieser Zeit dreimal neu konzipiert und an technische Entwicklungen angepasst. Umsätze und Nutzerzahlen steigen, aber unser Hauptgeschäft läuft im Laden.
Wie viele Bücher müssen Sie verkaufen, damit Ihre Buchhandlung Gewinn abwirft?
Volk: Wir haben eine Mischkalkulation. Für uns sind Laufkundschaft und Rechnungsgeschäfte, zum Beispiel mit Schulen und Behörden, gleichermaßen wichtig. Derzeit beschäftige ich fünf Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sozialversicherungspflichtig.
Eder-Herold: Das hängt davon ab, wie hoch die Fixkosten einer Buchhandlung sind. Die Rabatte, also die Marge in der Branche auf den gebundenen Ladenpreis, ist bei erzählenden Büchern anders als bei Fachbüchern. Eine Fachbuchhandlung muss relativ mehr oder teurere Bücher verkaufen als eine reine Belletristik-Buchhandlung. Wenn jeder Einwohner zwei Bücher, Hörbücher oder DVDs im Jahr bei uns kauft, kann das Angebot fortbestehen. Wenn jeder drei Titel kaufen würde, könnten wir mehr Steuern zahlen.
Was muss der Buchhandel heute zusätzlich leisten, um Kunden zu gewinnen und zu halten?
Volk: Wir müssen schnell liefern. Manche Kunden erwarten, dass sie am Bestelltag ihr Buch erhalten. Wer bis 18 Uhr bei uns bestellt, kann am nächsten Tag seine Bestellung bei uns abholen. Um bei Kunden im Gedächtnis zu bleiben, präsentieren wir uns regelmäßig mit Büchertischen, Weihnachtsausstellungen und Lesungen. Online bieten wir die Möglichkeit an, über Paypal zu bezahlen. Außerdem versuchen wir zu vermitteln, dass unser Laden eine Wertigkeit für die Stadt besitzt: Wir bezahlen hier unsere Steuern, bieten in Buchen Arbeitsplätze. Das Geld, das man bei uns ausgibt, bleibt in der Region.
Eder-Herold: Eine aktuell gehaltene Präsenz im Internet ist sicher ebenso hilfreich wie Veranstaltungsangebote vor Ort, also Autorenlesungen, Ausstellungen, Aktionen. In den vergangenen Jahren haben wir einen großen Teil unseres Werbebudgets in Kinowerbung investiert. Am wichtigsten ist, dass Kunden sich kompetent und freundlich beraten fühlen, damit sie gerne wiederkommen.
Die deutsche Monopolkommission hat im Mai 2018 ein Sondergutachten vorgelegt und darin für die Abschaffung der Buchpreisbindung plädiert. Was würde es bedeuten, wenn die Buchpreisbindung aufgehoben würde?
Volk: Die Vielfalt der Titel würde eingedampft werden. Verlage würden nur noch sehr gut verkäufliche Titel herausbringen. Kleinere Verlage und kleinere Buchhandlungen wie meine würden verschwinden.
Eder-Herold: Wenn die Monopolkommission das Ziel hat, Monopole zu schaffen, verstehe ich die Aussage des Gutachtens. Große Marktteilnehmer würden versuchen, ihre Position in Verhandlungen mit Verlagen auszuspielen und sich Vorteile gegenüber kleinen Marktteilnehmern sichern. Sehen Sie sich die Entwicklung im Musikhandel an. Die Vielfalt lokaler Buchhandlungen wäre nicht zu halten.
Wie muss sich der Buchhandel entwickeln, um Bestand zu haben?
Volk: Der Buchhandel muss sich bewegen und seine Ware auf verschiedenen Kanälen, online und offline, anbieten. Über Lesewettbewerbe, Lesungen, Büchertische, Literatur zu bestimmten Themen und Veranstaltungen muss man auf sich aufmerksam machen. Verlage dürfen ihre "Cash Cow", wie Bestseller von Sebastian Fitzek, nicht bei Discountern anbieten. Und die öffentliche Hand sollte den regionalen Unternehmen die Treue halten.
Eder-Herold: Buchhandel hat gute Perspektiven, denn er hat schnell auf Veränderungen reagiert. Kunden können sich sowohl im Laden als auch in den Webshops auch kleiner Buchhandlungen informieren und einkaufen. Die Logistik des Buchhandels bietet Kunden den Luxus, aus der Vielfalt hunderttausender Produkte auswählen zu können und diese schon am nächsten Tag zu erhalten. Die Preisbindung bei Büchern erspart Kunden nervige Preisvergleiche und weite Wege.