Von Brigitte Fritz-Kador
Heilbronn. Gelegentlich findet auch im Heilbronner Gemeinderat eine Abstimmung mit den Füßen statt: Weil zwei Stadträte (CDU und FDP) gerade nicht an ihrem Platz waren, wurde mit knappster Mehrheit und gegen das Votum von Oberbürgermeister Harry Mergel die Wiedereinführung des Mobilitäts-Tickets beschlossen. Das war ein kleiner Paukenschlag in einer sonst eher geschäftsmäßig ablaufenden Gemeinderatssitzung, in der 205 finanzwirksame Anträge des Doppelhaushaltes 2019/20 auf der Tagesordnung standen - mit einem Schwerpunkt auf Verkehrs- und Wohnungsbaupolitik.
Die großen Vorhaben der Bundesgartenschau haben den finanziellen Spielraum der Stadt eher weniger ausgelastet und belastet als vor allem den Handlungsspielraum der dadurch so stark geforderten Verwaltung. In diesem Sinne nachvollziehbar: Am Anfang der Sitzung stand der Bericht des Personalrates, mit Licht, Schatten und vor allem der Darstellung der angespannten Personallage.
Es gab schon längere Sitzungen des Gemeinderates zur Erstellung des Haushaltes, aber noch nie so viele Anträge. Auch wenn OB Mergel immer wieder auf die Uhr schaute: In fünf Stunden war alles abgehandelt; manches deshalb so zügig, weil sich immer wieder Fraktionsgemeinschaften mit wechselnden Mehrheiten gebildet hatten, die eben damit Beschlüsse auf den Weg brachten oder auch verhinderten.
Einer davon war die Ablehnung des Grünen-Antrages für einen (probeweise) kostenlosen ÖPNV-Verkehr an Samstagen. Fast schon kurios dagegen, dass die zeitlich längste und kontroverseste Debatte einem Thema galt, das typisch für Heilbronn ist: Die personelle Aufstockung des Kommunalen Ordnungsdienstes (KOD), damit man endlich, was eigentlich schon beschlossen war, den "Feldschütz" wieder einführen kann.
OB Mergel sah da die "Ehrenamtlichen" in der Pflicht" - ein Vorschlag mit ebenso wenig Chancen wie der, zwei weitere hauptamtliche Stellen zu schaffen. Der Kompromiss des Gemeinderates: Zehn Stellen auf 450-Euro-Basis, für die man vor allem Polizisten im Ruhestand gewinnen will.
Dass diverse Wortbeiträge wie auch das Abstimmungsverhalten von der anstehenden Kommunalwahl durchaus beeinflusst waren, zeigte sich unter anderem darin, dass das Gremium mit breiter Zustimmung dem Wunsch des Jugendgemeinderates nachkam: Die Skateranlage auf der Theresienwiese wird für 200.000 Euro saniert, und den Vereinen, sowohl aus Sport wie auch Kultur, werden keine Hallengebühren mehr abverlangt. Damit sei man "spitze" in Heilbronn, lobte man sich selber.
Beim Wohnbau hat sich in Heilbronn schon in der Vergangenheit viel vorgenommen, jetzt will man erst einmal drei priorisierte Gebiete bewältigen, unter anderem den Nonnenbuckel bei den SLK-Kliniken. Weitergehende und "vorsorgliche" Anträge, für die sich vor allem Susanne Bay (Grüne) als "Fachfrau" für Wohnungsbau auch im Landtag ins Zeug legte, fanden keine Mehrheiten, aber immerhin wird dank CDU, FWV und FDP das Wohnbauprogramm "Junge Familien" pro Jahr um 150.000 Euro aufgestockt.
Einen denkwürdigen Antrag legten alle Stadträtinnen gemeinsam vor: Sie forderten die vollständige Übernahme aller Behandlungskosten durch die SLK-Klinik Gesundbrunnen für dort aufgenommene misshandelte Frauen. Kontrovers diskutierten dazu vor allem die Heilbronner Verdi-Chefin Marianne Kugler-Wendt (SPD) und OB Mergel darüber, ob und wie das Spektrum der Kosten tatsächlich ausgelegt und aufgefangen wird. Mergel sah die vorhandene Zusicherung der Klinik dafür als ausreichend an, Kugler-Wendt widersprach. Die Frauenquote im Heilbronner Gemeinderate ist eine der niedrigsten im ganzen Land unter vergleichbaren Städten, das zeigte sich dann auch bei der Ablehnung des Antrages.
Das Dezernat von Finanzbürgermeister Martin Diepgen hatte dann umgehend ordentlich Stress: Die Anträge müssen in den Haushalt "eingearbeitet" werden - bis zum heutigen Donnerstag, denn dann wird der Etat verabschiedet.