Von Manfred Ofer
Heidelberg. Der Weltraum. Unendliche Weiten. Wer kennt es nicht, das legendäre Zitat aus der TV-Serie Star Trek? Das "Haus der Astronomie" lud am Dienstag im Rahmen seiner Reihe "Highlights" zu einem Vortrag mit einem Mann ein, der in Kontakt mit der Unendlichkeit gewesen ist: ESA-Astronaut Thomas Reiter. Im Fokus standen aktuelle und künftige Entwicklungen innerhalb der Raumfahrt.
"Nicht jede Sternschnuppe, die Sie am Firmament sehen, ist aus Gold", verriet Thomas Reiter mit einem Augenzwinkern. Das Publikum brach in Gelächter aus. Die Anekdote über die Entsorgung einer Weltraumtoilette war eine von vielen, die der Referent an diesem Abend auf Lager hatte. Bis auf den letzten Platz war der Saal gefüllt. Das Publikum spitzte interessiert die Ohren.
In 90 Minuten einmal die Erde umrunden
Thomas Reiter war von 1992 bis 2007 als Astronaut für die Europäische Raumfahrtorganisation ESA tätig. Er verbrachte 350 Tage im All. Seine Arbeit verrichtete er auf den Raumstationen MIR und ISS. In dieser Zeit führten ihn drei Außenbordeinsätze hinaus ins große Vakuum. Zudem war er bis in den Dezember 2015 Leiter des ESA-Direktorats für bemannte Raumfahrt und Missionsbetrieb. Worin bestehen die Aufgaben der ESA? Welche Satelliten werden von ihr kontrolliert? Und wie sieht der Alltag in einer Raumstation aus? Fragen, die der Astronaut im Rahmen seines Vortrags und einer anschließenden Diskussionsrunde ausführlich beantwortete.
Das erste Modul - die Keimzelle der Internationalen Raumstation ISS - wurde im Dezember 1998 ins All geschossen. Sie umrundet die Erde einmal in 90 Minuten in einer Höhe von etwa 340 Kilometern. Die Höhe ändert sich allerdings ständig, da die ISS an Höhe verliert und daher regelmäßig wieder angehoben wird. Inzwischen ist die Station ständig mit bis zu sieben Besatzungsmitgliedern bemannt, und das soll sie bis ins Jahr 2024 bleiben. Reiter, der unter anderem Filmaufnahmen von den Aktivitäten an Bord zeigte, ist jedoch davon überzeugt, dass der Wert der Forschungsarbeiten eine Verlängerung der Betriebszeit rechtfertigen wird. "Es macht keinen Sinn, ein so perfekt funktionierendes Labor vorzeitig im Orbit verglühen zu lassen", sagte er und legte eindrucksvolle Zahlen vor: 3612 Forscher aus 106 Ländern sind am Projekt ISS beteiligt. 2529 Experimente wurden an Bord durchgeführt, davon 336 unter europäischer Flagge.
Die ISS sei vor allen Dingen auch ein Musterbeispiel für internationale Zusammenarbeit. Im All weht demnach ein Geist der Kooperation. Die Experimente, die in den engen Röhren der ISS durchgeführt werden, haben einen Mehrwert für die ganze Menschheit. Zu den Forschungsdisziplinen gehören Physik, Medizin und Technologien. Und dann sind da noch die Wartungsarbeiten in und außerhalb der ISS. "Näher als in einem Raumanzug kann man dem Weltall nicht kommen", suchte Reiter nach Worten, um die Erfahrung eines Außenbordeinsatzes zu beschreiben. Es sei wie in einem Traum.
Auf einer Großleinwand konnte das Publikum einen Video-Rundgang durch die ISS machen, wobei der Referent immer wieder Fakten und Anekdoten parat hatte. Eindrucksvoll waren die Bilder von ihm und seinen Kollegen, die in der Schwerelosigkeit durch die Station schwebten. Mit an Bord ist auch ein kleiner Roboter, der seinen menschlichen Kollegen zur Hand geht: künstliche Intelligenz in den Kinderschuhen.
Missionen zum Mond und zum Mars sind schon fest eingeplant. "In absehbarer Zeit werden es auch bemannte Missionen sein", ist sich Thomas Reiter sicher. "Faszinierend!", würde Mr. Spock dazu wohl sagen.
Info: Eine virtuelle Tour durch die Internationale Raumstation ISS gibt es auf www.esamultimedia.esa.int