"Wir haben das Zeug zu mehr"
Ein Torhüter-Problem hatte der 1. VfL Potsdam wohl nie. Auf Anhieb können wir Anhänger des Handballsports und dieses Vereins eine ganze Reihe von Namen aufführen, die diese These untermauern. Auch aktuell ist die in der 3. Liga spielende erste Männermannschaft auf dieser Position dreifach sehr gut bestückt. Zuletzt hütete der Schweizer Fabian Pellegrini meistens das Tor. Auch Fast-Zweimetermann (1,94m) Angelo Grunz hofft allerdings wieder auf mehr Einsatz. Warum er in den letzten Wochen nicht ganz so viel zum Zuge kam, kann der 24jährige gebürtige Berliner am besten allein erzählen.
Angelo, warum musstest Du in den letzten Spielen eher Deinem Partner die Trinkwasserflasche reichen, als selbst mit Paraden im Kasten zu glänzen?
Erst einmal: Fabian hat großartig gehalten, war der Mannschaft ein großer Rückhalt.
Ich steckte im Prüfungsstress, musste mich mehr auf das Lernen konzentrieren. Bevor die entscheidende Phase meiner Ausbildung zum Bankkaufmann bei der Berliner Sparkasse begann, hatte ich noch geglaubt, beides ganz leicht unter einen Hut bringen zu können. Das erwies sich als Denkfehler, mein Kopf war doch mehr vom Lernen für den Beruf als vom Handball gefüllt. Und deshalb bin ich dem Verein und dem Team dankbar, dass sie mir dafür auch den nötigen Freiraum gegeben haben. Doch das Kapitel ist abgehakt, jetzt möchte und werde ich wieder zupacken.
Du kennst den VfL seit Deiner Jugend, warst aber dennoch eine Weile weg. Erzähl bitte ein wenig von Dir.
Ja, ich ging hier einige Jahre auf die Sportschule, durfte sogar in der Zweitliga-Zeit des VfL schon mit auf der Bank sitzen, erlebte den unglücklichen Abstieg hautnah mit. Dann - ich glaube 2013 - wechselte ich zu den Füchsen nach Berlin und beendete dort meine Schulzeit. Mit den Berlinern wurde ich deutscher A-Jugendmeister und 2015 sogar EHF-Pokalsieger mit den Männern. Allerdings habe ich damals im Finale nur kurz gespielt. Egal, Europapokalsieger darf ich mich trotzdem nennen. Von Berlin wechselte ich zu TuSEM Essen, musste aus familiären Gründen jedoch nach einem halben Jahr wieder zurück nach Hause. Nun trainierte ich mit den Füchsen, spielte aber für Braunschweig. Zu Saison 2017/18 kam ich schließlich zurück nach Potsdam.
Wenn man schon die große Handball-Luft geschnuppert hat, kann es einem doch in der Provinz gar keine Freude machen.
Oh doch, ich bin sehr gern beim VfL. Hier konnte ich mich beruflich entwickeln und hier gibt es eine sportliche Perspektive. Der Verein ist professionell aufgestellt, hat eine junge und leistungsstarke Truppe mit viel Potenzial und somit einer tollen Zukunft beisammen, einen wunderbaren Trainer, eine kompetente Geschäftsstelle, eine tolle Sporthalle, engagierte Helfer an der Basis und auch einen guten Sponsoren-Stamm. Hier geht etwas. Das einzige Manko: Potsdam ist leistungssportlich verwöhnt, die Vereine konkurrieren um die finanziellen Möglichkeiten. Dennoch hat der VfL da eine gute Strategie für seine Entwicklung gefunden. Aber ich muss zugeben: es war schon eine super Zeit als Profi, da möchte ich wieder hin. Und da kann ich mit dem VfL sicher auch wieder hin.
Hast Du schon eine Familie?
Ich lebe in Berlin-Weißensee mit meiner Freundin Milena zusammen. Ansonsten habe ich außer meinen Eltern noch eine große Schwester.
Kommt Deine Milena auch aus dem Sport?
Nein, damit hat sie nichts am Hut. Das ist auch gut so, sie holt mich runter, ist der perfekte Gegenpol.
Im Januar beginnt die Handball-Weltmeisterschaft. Fiebert man einem solchen Ereignis als Aktiver aus diesem Metier besonders entgegen?
Ich muss gestehen, dass ich nicht der Typ bin, der sich vor den Fernseher setzt, um alle Spiele zu verfolgen. Ich brauche meine Auszeiten vom Handball, was nicht heißt, dass ich mich nicht dafür interessiere. Ich habe aber noch andere Hobbys.
Die da wären?
Beachvolleyball steht ganz oben bei mir. Neuerdings habe ich den Flitz, unbedingt Surfer werden zu wollen, auf Wellen reiten zu können. Ich habe es auch schon zweimal probiert, an der Atlantikküste der portugiesischen Algarve. Die ersten Anfänge haben mir Mut gemacht.
Am Freitagabend kommen die Jungfüchse, die Reservemannschaft des Erstligisten. Damit kommt auch ein Teil Deiner Vergangenheit. Wie gehst Du dieses Spiel an?
Es ist immer etwas Besonderes, wenn die Jungs kommen, mit denen man zum Teil selbst zusammengespielt hat. Die zwei Punkte sollen dennoch in Potsdam bleiben. Und da es ein Derby ist, brauchen wir jeden Zuschauer in der Halle besonders.
Das Gespräch führte Horst Sperfeld