Von Willi Berg
Heidelberg/Sinsheim. Er soll mit dem "Polizisten-Trick" eine Frau aus Sinsheim um rund 300.000 Euro geschädigt haben. Derzeit muss sich ein 30-Jähriger deshalb vor dem Heidelberger Landgericht verantworten. Ein weiterer Zeuge könnte den Angeklagten möglicherweise entlasten. Doch der Mann blieb trotz Ladung dem Prozess ein zweites Mal fern.
Der Zeuge soll den Angeklagten zur Tatzeit in Hagen gesehen haben, mehrere Hundert Kilometer von Sinsheim entfernt. Dort hatte das 64-jährige Opfer im vergangenen Februar einem vermeintlichen Polizisten eine Tüte mit ihren Schätzen übergeben. Darin Schmuck, Goldmünzen, teure Uhren und Bargeld im Gesamtwert von rund 300.000 Euro. Staatsanwalt Christian Fuchs hält den Angeklagten für den Täter. Der 30-jährige Türke bestreitet das jedoch.
Er sei zur fraglichen Zeit in Hagen in einer Spielhalle gewesen. Ein Kumpel hatte dies am letzten Prozesstag auch bestätigt. Auch der nicht erschienene Zeuge soll ihn dort gesehen haben. Vergeblich versuchte das Gericht am Donnerstag, diesen Mann telefonisch zu erreichen. Ohne Erfolg. Unklar ist, wo er sich derzeit aufhält. Dessen Mutter erklärte, ihr Sohn treibe sich herum und hole auch seine Post nicht ab, sagte der Vorsitzende Richter Christian Mühlhoff.
Verteidiger Gerd Salzmann will auf den Zeugen jedoch nicht verzichten. Nun soll der Mann beim nächsten Prozesstag am 3. Dezember vorgeführt werden. Der Angeklagte war wenige Tage nach dem Sinsheimer Fall auf frischer Tat geschnappt worden. In Magstadt bei Böblingen wollte er 50.000 Euro bei einem Mann abholen. Zuvor hatten unbekannte Anrufer dem Opfer weisgemacht, es handele sich um Falschgeld.
Der Türke wurde deshalb zu einer Haftstrafe von über zwei Jahren verurteilt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Bei seiner Verhaftung fand man bei ihm den Toiletten-Bon einer Raststätte in Nordrhein-Westfalen. Demnach suchte er das WC am 19. Februar um 19 Uhr auf. Er hätte somit genug Zeit gehabt, gegen 23 Uhr bei dem Opfer in Sinsheim zu sein. Um 19.30 hatten vermeintliche Kommissare erstmals bei der Frau angerufen. Sie behaupteten, dass Gangster planten, die 64-Jährige zu überfallen.
Sie solle daher den Tresor ausräumen und den Inhalt einem Kollegen "Schmitt" übergeben. Laut Anklage war es der 30-Jährige, der die Tüte mitsamt dem wertvollen Inhalt vor dem Haus des Opfers an sich nahm. Der mehrfach vorbestrafte Mann ist seit Jahren arbeitslos und lebt von Hartz IV. Erstaunlich ist jedoch, dass er sich offenbar mehrfach Luxusautos mietete, die bis zu 300 Euro am Tag kosten. Das sagte der frühere Geschäftsführer einer Mietwagenfirma gestern als Zeuge aus.
Unklar ist, ob der 30-Jährige auch zur Tatzeit mit einem dieser Autos unterwegs war. Einen Mietvertrag für die fragliche Zeit blieb der Zeuge bis heute schuldig. Der Angeklagte sagte, er habe sich letzten Februar für zwei Tage einen Mercedes AMG ausgeliehen. Und sei damit nur in Nordrhein-Westfalen unterwegs gewesen. Ohne Führerschein, wie er einräumte.
Bei der Mietwagenfirma legte er den Führerschein seines Bruders vor. Er habe den Wagen am 19. Februar in Remscheid zurückgegeben und sei dann nach Hagen gefahren. Dort habe er nachts eine Spielhalle besucht und dabei 500 Euro gewonnen. Sollte das stimmen, dann kann er zur Tatzeit nicht in Sinsheim gewesen sein.
Das Gericht lehnte den Antrag der Verteidigung auf einen Stimmvergleich ab. Demnach hätte das Opfer die Stimme des Angeklagten aus mehreren vorgespielten Sprachproben heraushören sollen. Der 30-Jährige habe sich während der Anwesenheit des Opfers extra nicht geäußert, um einen solchen Abgleich zu ermöglichen, erläuterte Anwalt Salzmann.
Die geschädigte 64-Jährige hatte zum Prozessauftakt erwähnt, sie könne sich an die Stimme des Mannes erinnern. Richter Mühlhoff verwies darauf, das sich der Klang einer Stimme situationsbedingt, durch Krankheit oder Stimmungslage verändere oder auch bewusst verstellt werden könne.