Neckarbischofsheim. (bju) Wesentlich mehr Gäste als in den vergangenen Jahren konnten die Vertreter des SPD-Ortsvereins und des Vereins für Heimatpflege zur Gedenkfeier anlässlich der Reichspogromnacht begrüßen, die sich zum 80. Mal jährte. Am Platz der ehemaligen Synagoge hatten sich mehr als 50 Bürger aus Neckarbischofsheim, aber auch aus den Nachbargemeinden eingefunden, die von Franziska Legat begrüßt wurden.
Bereits seit 1974 werde hier traditionell am 9. November an die Zerstörung der Synagoge erinnert, so Legat. Bürgermeisterin Tanja Grether sprach von einer "Mahnung für die Zukunft" und über die "Wichtigkeit der Erinnerung". Gerade in einer Zeit, in der der Zusammenhalt bedroht sei, dürfe man niemanden verlieren, sagte der Bundestagsabgeordnete Lars Castellucci (SPD), "auch nicht diejenigen, die skeptisch sind." Er betonte das gemeinsame Miteinander und fand passende und bewegende Worte mit dem Gedicht der Jüdin Rose Ausländer, in dem es heißt: "Vergesset nicht, es ist unsre gemeinsame Welt."
Mit einem "Gut Shabbes", so wie man in "Bischesse" gesagt hätte, sendete Walter Zeller Grüße von Dr. David Jeselsohn, einem Enkel des letzten Synagogenvorstands, mit dem er noch vormittags wegen des beginnenden Sabbats telefoniert hatte. "Er hat mich beruhigt und gesagt, dass es ihn vielmehr sehr freue, dass wir heute an der Synagoge zusammenkommen und seiner jüdischen Vorfahren gedenken." Seit rund 15 Jahren beschäftige sich Zeller intensiv mit der jüdischen Gemeinde in Neckarbischofsheim, und für ihn sei das heutige Gedenken gerade wegen der "Übergriffe, Anfeindungen, Beschimpfungen und sogar tätlicher Angriffe gegenüber unseren jüdischen Mitbürgern und Mitbürgerinnen in Deutschland" notwendiger denn je. Zeller blickte auf die Geschehnisse am 10. November 1938 in Neckarbischofsheim zurück und zitierte Augenzeuge und Synagogenvorstand Samuel Jeselsohn, der ausführlich über "das Ende unserer Heiligen Gemeinde Neckarbischofsheim" berichtet hat.
"Die 14 zum Teil über 100-jährigen Thorarollen wurden geschändet, und die Synagoge in der Schulgasse und die Religionsschule, im Volksmund ,Judenschule’ genannt, wurden dem Erdboden gleichgemacht." Erschreckend für Zeller, dass das alles am helllichten Tag und in aller Öffentlichkeit geschehen war. Heute gäbe es nur noch die Pläne der Synagoge und wenige Postkarten, die das damals markante Gebäude zeigen.
Beschämend auch, dass aus den Synagogensteinen das neue HJ-Heim, das auch als Jugendherberge genutzt wurde, gebaut worden war, das sich noch heute auf dem KVG-Gelände befindet. "Unser Städtchen wurde über Jahrhunderte von jüdischen Familien mitgeprägt, die aktiv am Gemeindeleben mitgewirkt haben", berichtete Zeller weiter, deren Nachfahren auch heute noch zu "Bischesse" ein besonderes Verhältnis haben.
Bevor die kirchlichen Vertreter ihre Beiträge und ihr Gebet vortrugen, legte Zeller stellvertretend für alle Opfer nach einem alten jüdischen Brauch für Benny Bär, Selly Andriesse und Dr. Kurt Wolff je einen Stein der Erinnerung am Gedenkstein für die Synagoge nieder. Bär starb mit 90 Jahren im KZ Theresienstadt, Andriesse war gerade zehn Jahre alt, als sie im Konzentrationslager Sobibor ermordet wurde.