Von Friedemann Orths
Sinsheim. "Schwimmmeister können alles, nur nichts richtig", erklärt Benjamin Bräutigam auf seinem Turm in der Mitte des Sinsheimer Freibads. Der gelernte Meister für Bäderbetriebe, so die offizielle Berufsbezeichnung, und Geschäftsführer der Firma "Bädercoach GmbH" schaut wachsam auf die Becken, um im Notfall sofort eingreifen zu können. Zuvor war er einem Mann beim Entfernen einer Zecke behilflich gewesen - der 29-Jährige ist ein echter Alleskönner und managt das Schwimmbad.
Seine Schicht beginnt um 6 Uhr mit einem Rundgang über das Gelände. Hierbei setzt er den Beckensauger ein, der den Boden vom Schmutz des vorangegangenen Tages reinigt. Dann nimmt er Wasserproben, um beispielsweise den pH- und Chlorwert zu kontrollieren. Aber auch das Nachfüllen der Chlorgasflaschen oder die Müllbeseitigung fallen in sein Aufgabengebiet. Neben Hausmeistertätigkeiten muss er selbstverständlich auch Erste Hilfe leisten können.
"In meinen 13 Berufsjahren musste ich aber erst ein Mal ins Wasser", sagt Benjamin Bräutigam. Er setzt auf Prävention: "Ich schaue mir die Leute genau an. Machen sie einen geschwächten Eindruck, frage ich nach, wie es ihnen geht oder ob sie überhaupt schwimmen können."
Denn gerade viele Geflüchtete unterschätzten die Gefahren des Wassers und sprängen ohne Angst ins kühle Nass. "Wir haben fast nur mit Extremen zu tun", erklärt der Oftersheimer, der in dieser Woche als Vertretung das Bad in Sinsheim betreut.
"Auf der einen Seite Selbstüberschätzung, auf der anderen Eltern, die ihren Kindern nichts zutrauen und ihre Angst auf sie projizieren." Außerdem ärgern ihn Erwachsene, die sich lieber mit ihrem Smartphone als mit ihren Sprösslingen beschäftigen. "Manchmal laufe ich am Becken entlang und muss sieben Kinder rausholen, die ohne Beaufsichtigung sind."
Kinder sprängen oftmals mit erhobenen Armen ins Becken, was sie schnell die Schwimmflügel verlieren lässt - da ist Vorsicht geboten. Er rät: "Die Kinder machen lassen, aber aufpassen." Denn Ertrinken passiert ganz still und leise. "Man geht einfach unter. Deshalb behalte ich immer den Beckenboden im Auge."
Aus diesem Grund hält der Schwimmmeister auch das Seepferdchen-Abzeichen für besonders wichtig. "Sehe ich den Aufnäher auf der Badebekleidung des Kindes, kann ich zumindest sicher sein, dass es schwimmen kann und mit einer Schocksituation wie dem Eintauchen zurecht kommt", erklärt er.
Zu Beginn der Saison bietet das Freibad Kurse für 36 Kinder an, pro Jahr machen "100 bis 200" Kinder das Abzeichen, schätzen er und seine Kollegin Jennifer Scherb. Sie macht eine Ausbildung zur Fachangestellten für Bäderbetriebe und besucht eine Schule in Mannheim, wo sie auf das Retten vorbereitet wird. Je nach Wetter arbeiten vier bis sieben "Aufpasser am Beckenrand" in zwei Schichten; insgesamt hat das Freibad 14 Angestellte, die sich um einen reibungslosen Ablauf kümmern.
Dazu gehört auch das Spülen der sechs Wasserfilter, wofür zwischen 18 und 50 Kubikmeter Wasser benötigt werden, je nach Anzahl der Besucher. In dieser Saison lag der Rekord bei rund 3500 an einem Tag, teilt der Schwimmmeister mit.
Insgesamt beherbergen die Becken 1,8 Millionen Liter. "Wenn wir vor der Saison das Wasser ablassen, müssen wir die Kläranlage vorher warnen, da es dort sonst eine Überschwemmung gibt," sagt der Schwimmmeister lachend.
Benjamin Bräutigam gerät ins Philosophieren: "Den erste Sprung vom ,Dreier‘ kann man als Training fürs Leben betrachten", schwärmt er. Der "Sprung ins Ungewisse" könne Kindern die Angst vor vielem anderen nehmen.
Weiter erklärt er: "Im Freibad fehlen dir deine Statussymbole. Du hast nur deine Badeklamotten und bist dadurch wie alle anderen." Dies, sagt Benjamin Bräutigam, sei außerdem ein Vorteil beim Kennenlernen des anderen Geschlechts: "Flirten ist im Schwimmbad einfacher."