Von Claus Weber
Heidelberg. Diese Bilanz kann sich sehen lassen. An fünf von elf deutschen Medaillengewinnen bei der EM in Glasgow waren Schwimmer aus der Heidelberger Trainingsgruppe von Michael Spikermann (59) beteiligt. Philip Heintz von Nikar Heidelberg wurde Vize-Europameister, seine neue Vereinskollegin Isabel Gose errang Staffel-Bronze. Und Sarah Köhler (SG Frankfurt) wurde zweimal Zweite und einmal Dritte. Dennoch war der badische Landescoach nicht ganz zufrieden. Mit der RNZ sprach er über die Rennen seiner Sportler, den neuen Qualifikationsmodus, das Format der European Championships und Olympia 2020.
Michael Spikermann, fünf EM-Medaillen gingen nach Heidelberg...
Das ist natürlich ein gutes Ergebnis - obwohl ein paar Dinge nicht so gelaufen sind, wie wir erhofft hatten.
Welche waren das?
Philip Heintz und Sarah Köhler sind beide als schnellste Europäer nach Glasgow gefahren - am Ende gab’s aber "nur" Silber. Philip war im Semifinale über 200 m Lagen schneller als im Finale, hat dort falsch taktiert. Die dritten 50 Meter sind normalerweise seine Strecke. Diesmal hat er dort entscheidende Zehntel verloren.
Auch für Sarah Köhler wäre noch mehr möglich gewesen....
Über die 1500 Meter Freistil hat sie mit deutschem Rekord und zwei Sekunden unter ihrer Bestzeit Silber geholt. Das hat sie gut gemacht. Aber mit ihrem Start in die EM, mit dem vierten Platz über 800 und dem fünften Platz über 400 Meter, konnten wir nicht zufrieden sein.
Woran lag’s?
Sarah hat die Offerte, auch im Freiwasser zu schwimmen, angenommen. Das hat den Saisonaufbau gestört, er war sehr ausdauerlastig. Die Grundgeschwindigkeit, die man über 400 und 800 Meter braucht, hat deshalb ein bisschen gefehlt. Und: Weil der Deutsche Schwimm-Verband einen anderen Ausrüster hat, konnte sie ihren auf sie zugeschnittenen Wettkampfanzug nicht verwenden.
Auch die beiden jungen Nikar-Neuzugänge Isabel Gose und Johannes Hintze aus Potsdam standen in den Finals.
Isabel ist direkt nach dem Höhentrainingslager bei den Junioren-EM gestartet und war dort mit sechs Medaillen die erfolgreichste deutsche Athletin. Es war schwierig für sie, die Konzentration aufrecht zu erhalten, zumal sie in Glasgow nach dem Vorlauf aus der Mixed-Staffel rausflog. Aber im Einzelrennen über 200 Meter Freistil hat sie alle deutschen Konkurrentinnen hinter sich gelassen und es bis auf den fünften Platz geschafft. Damit schwamm sie sich zurück in die Staffel, mit der sie Bronze holte. Ein Super-Ergebnis für eine 16-Jährige.
Und Johannes Hintze?
Über 400 Meter Lagen hat er seine Bestzeit eingestellt, nur eine halbe Sekunde hat zu Bronze gefehlt. Schade, dass er nicht auch die 200 Meter Lagen schwimmen durfte. Auf dieser Strecke ist er Junioren-Europameister. So musste er bis zum letzten Tag auf sein Rennen warten.
Aus Ihrer Heidelberger Trainingsgruppe schafften es auch Nina Kost für die Schweiz und Julia Hassler für Liechtenstein in die Endläufe.
Julia wurde Fünfte, Sechste und Siebte über 1500, 800 und 400 Meter Freistil, schwamm dabei Landesrekord. Leider hatte sie sich nach den deutschen Meisterschaften einen Infekt eingefangen. Dafür waren ihre Ergebnisse gut. Nina schwamm vier Einzelrennen und zwei Staffeln jeweils mit persönlicher Bestzeit, stand über 50 Meter Rücken und 100 Meter Freistil in den Semifinals. Das war gut. Es war ihre erste EM auf der Langbahn.
Bei der letzten EM gab’s zwei Medaillen, bei der WM 2017 gar nur eine für den DSV - sind die deutschen Schwimmer raus aus dem Tal der Tränen?
Der Vergleich ist schwierig. Eine Medaille kam durch die neue Mixedstaffel hinzu. Zeigen wird sich das erst bei der WM im nächsten Jahr in Südkorea.
Schauen Sie noch ein Jahr weiter voraus. Was ist für die Schwimmer aus Heidelberg bei Olympia in Tokio drin?
Für eine Prognose ist es noch zu früh. Aber ich denke, dass wir Leute mit ordentlichem Potenzial haben, die bewiesen haben, dass sie sich international weit vorne bewegen können. Philip Heintz und Sara Köhler sind in der Weltspitze angekommen. Sie und die Jungen müssen auf dem hohen Niveau weiterarbeiten.
Die Athleten konnten die Norm diesmal in einem längeren Zeitraum schwimmen. Ein gutes Konzept?
Ja. Denn es gab uns die Möglichkeit, uns in einem kompletten Trainingszyklus auf die wichtigste Meisterschaft vorzubereiten. Alle Einzelmedaillen wurden von Athleten gewonnen, die ins Höhen-Trainingskonzept eingebunden sind. Dafür braucht man lange Trainingszyklen.
Die Schwimm-EM war eingebettet in die European Championship. Wie empfanden Sie die Stimmung und das Format?
Als Athlet ist man bei so einem Event voll in seinen Wettkampf eingebunden. Da hat man keine Zeit, um zu schauen, was außenrum passiert. Sportler und Betreuer kriegen von den anderen Sportarten leider nur wenig mit. Aber generell fand ich es gut, der Fernsehzuschauer hatte schon seine Vorteile.