Von Holger Buchwald
Heidelberg. Die Idee klingt auch für die Skeptiker charmant: Eine Seilbahn könnte die Pendler vom S-Bahnhof Pfaffengrund/Wieblingen oder vom Hauptbahnhof ohne Kreuzung, ohne Stau und ohne teure Brückenneubauten direkt ins Neuenheimer Feld bringen. Nachdem die SPD Heidelberg und der Verein "Urban Innovation" mit diesem Vorschlag vorgeprescht sind, melden sich nun die Kritiker zu Wort.
Alexander Föhr, Kreisvorsitzender der CDU Heidelberg, findet zwar gut, dass der Vorschlag diskutiert wird. Allerdings bestehen aus seiner Sicht Zweifel daran, dass eine Seilbahn die passende Lösung für die Heidelberger Verkehrsprobleme ist. "Wir verfügen über ein leistungsfähiges Bus-, Straßen- und S-Bahn-Netz, über dessen Ausbau und Erweiterung regelmäßig diskutiert wird", so Föhr.
Mit einer Seilbahn würde hingegen eine "Insellösung" geschaffen, für die es noch keinerlei Wartungs-, Betriebs- oder Unterhaltungsinfrastruktur gebe und die sich nicht ohne Weiteres in das Netz des Verkehrsverbundes integrieren lasse. Außerdem gibt Föhr zu bedenken, dass große Parkplätze oder Parkhäuser für mehrere Tausend Autos am Umsteigepunkt gebaut werden müssten.
"Experten sprechen heute über maximal 4000 Personen, die pro Stunde von einer Einseilumlaufbahn befördert werden können", so Föhr weiter. Das sei deutlich weniger, als Straßenbahnen leisten könnten. "Die Seilbahn würde ohnehin nur wenige Stunden am Tag stark genutzt, während sie sonst nur touristischen Charakter hätte", kritisiert der CDU-Kreisvorsitzende. Föhrs vorübergehendes Fazit: "Die Seilbahn kann nicht leisten, was Radverkehr, Busse und Bahnen sowie das Auto vermögen." Trotzdem wünscht auch er sich, dass die Idee intensiver untersucht und die Diskussion mit belastbaren Verkehrszahlen und Kosten unterlegt wird.
Unaufgefordert schaltet sich auch Marc Gennat, Professor für Automatisierungstechnik an der Hochschule Niederrhein in Krefeld, in die Diskussion ein. Er schickte an die Mitglieder des Stadtentwicklungs- und Verkehrsausschusses eine von ihm verfasste "Untersuchung einer Seilbahntrasse vom Pfaffengrund zum Neuenheimer Feld in Heidelberg". Auch andere Seilbahnvorhaben in Deutschland hat Gennat bereits kritisiert: Zuletzt im Februar die geplante Anbindung vom Düsseldorfer Zentrum ins Zentrum von Ratingen.
In Heidelberg sieht der Professor durchaus Vorteile für eine Seilbahn: Die meisten Pendler, die mit öffentlichen Verkehrsmitteln ins Neuenheimer Feld reisten, müssten derzeit am Hauptbahnhof umsteigen. "Es scheint, dass dieses Nadelöhr einen Bypass braucht", schreibt Gennat: "Eine Seilbahn von Wieblingen über den Neckar könnte tatsächlich eine solche Lösung darstellen." Zudem müssten die S-Bahn-Passagiere ohnehin einmal umsteigen - prinzipiell sei es da egal, ob sie nun den Bus, die Straßenbahn oder die Seilbahn nehmen.
Allerdings ist laut Gennats Berechnungen eine Seilbahn zu langsam. Und zwar liege das vor allem an den Fußwegen, die von einer Seilbahnstation im Neuenheimer Feld bis zum Endziel zurückgelegt werden müssen: "Nur das Ziel Kopfklinik zeigt mit der Seilbahn eine kürzere Reisezeit auf", sagt Gennat: "Alle anderen Ziele sind mit den herkömmlichen Verkehrsmitteln und schon existierenden Fahrplänen schneller zu erreichen." Ein Beispiel sei die Chirurgie, die mit Bus und Bahn in rund 16 Minuten, mit der Seilbahn und zu Fuß hingegen in 26,2 Minuten erreicht werden könne. Bei seinen Berechnungen hat Gennat bereits leichte Verspätungen von Bus und Bahn berücksichtigt. Eine Trasse vom Hauptbahnhof ins Feld sei noch langsamer, befürchtet der Ingenieur.
Eine Dreiseilumlaufbahn könne in der Minute maximal 108 Personen befördern, eine Einseilumlaufbahn 80, sagen Verkehrsplaner Matthias Nüßgen und der Schweizer Seilbahnbauer Tino Imhäuser, die beim Verein "Urban Innovation" über die Seilbahn-Idee diskutiert haben. Bei den Zahlen, die im entsprechenden RNZ-Artikel genannt worden waren, sei etwas verrutscht. Tatsächlich könnten mit einer Dreiseilumlaufbahn maximal 6000 Passagiere pro Stunde in einer Richtung transportiert werden.