Von Axel Habermehl, RNZ Stuttgart
Stuttgart. Jeder, der ab und zu Bahn fährt, kennt das Bild: bewaffnete und uniformierte Polizisten, die offensichtlich privat mitreisen. Dass so viele Polizeibeamte in ihrer Freizeit in Montur samt Waffe unterwegs sind, hat einen einfachen Grund: Sie brauchen so keine Fahrkarte.
Seit 1998 besteht zwischen Baden-Württembergs Innenministerium und der DB Regio ein entsprechender Vertrag. Polizeibeamte in Uniform dürfen Nahverkehrszüge und Interregios gratis nutzen - in der 2. Klasse und ohne Anspruch auf einen Sitzplatz. Die Bahn verspricht sich davon ein besseres Sicherheitsgefühl aller Reisenden. Bis ins vergangene Jahr galt das Abkommen im Südwesten nicht für den Fernverkehr: Zugtypen wie ICE, IC und Sonderzüge waren ausgenommen. Doch im Juli 2017 wurde die Gratis-Regelung, wie in vielen anderen Bundesländern, auf alle Züge ausgeweitet.
Dadurch sparen Polizisten, die etwa von zuhause mit der Bahn zur Dienststelle pendeln, bares Geld. Voraussetzung ist lediglich das Tragen der Uniform und ein "situations- und lageangepasstes Mitführen der persönlich zugeteilten Schutzausstattung sowie der Führungs- und Einsatzmittel". Das meint insbesondere die Schusswaffe, aber auch Schutzweste, Handschließen, Reizstoffe und Schlagstock werden laut Innenministerium "ebenso regelmäßig mitgeführt".
Nicht selten passiert es, dass sich privat reisende Polizisten plötzlich "in den Dienst versetzen" müssen. 1499 Einsätze bei uniformierten Freifahrten in der Bahn zählte das Innenministerium vergangenes Jahr im Land. "Personalienfeststellungen" und "Unterstützung des Zugpersonals" waren mit Abstand die meisten Fälle, aber es mussten auch 43 Personen festgenommen werden.
"Es kommt nicht oft vor, dass man eingreifen muss, aber schon gelegentlich", sagt ein hochrangiger Landespolizist, der regelmäßig per Bahn zur Arbeit pendelt. Er selbst musste seit Juli 2017 zweimal tätig werden, Kollegen berichteten von ähnlichen Quoten. Gewöhnlich wenden sich Schaffner an die Uniformierten, oft per Durchsage, etwa weil ein Schwarzfahrer sich nicht ausweisen wolle oder Passagiere Unfrieden stifteten. In ICEs, so seine Wahrnehmung, passiere seltener etwas als in Regionalzügen. Oft werde er schon bei der Fahrscheinkontrolle gefragt, wohin er fahre. "Dann weiß der Schaffner: Bis dahin ist ein Polizeibeamter an Bord."
So verschwimmen aber auch im Polizeidienst weiter Grenzen zwischen Arbeits- und Privatleben. Der FDP-Abgeordnete Erik Schweickert befragte dazu neulich Innenminister Thomas Strobl (CDU) im Landtag. Der sagte: "Muss eine Beamtin oder ein Beamter bei einer Fahrt in der Freizeit dienstlich eingreifen, kann diese Zeit unter Umständen als Dienst im Sinne des Arbeitszeitrechts zu werten sein." So könne möglicherweise ein Anspruch auf eine entsprechende Ausgleichsruhezeit bestehen. "Die Feststellung, ob dies der Fall ist und wie die konkrete Ausgestaltung dieses Ausgleichs aussieht, ergibt sich dabei aus den Umständen des Einzelfalls", sagte Strobl.
"Erfreulich flexibel" zeige sich die Landesregierung hier, findet Oppositionspolitiker Schweickert und fügt an: "Ich würde mir wünschen, dass sie diese Flexibilität auch der Wirtschaft zubilligt." Entsprechende Gesetzesänderungen auf Bundesebene seien nötig, das Land könne im Bundesrat aktiv werden. Dass Polizisten so häufig auch außerhalb ihrer Dienstzeit arbeiten, ist für Schweickert "ein Zeichen besonderen Engagements". Dass sie im Gegenzug die Bahn gratis nutzen, sei "nur allzu gerecht".
Die Bahn ist zufrieden mit dem Angebot, das von Polizisten "gut genutzt" werde, wie eine Sprecherin mitteilt.