Von Sebastian Riemer
Heidelberg. Für den Heidelberger Kunsthistoriker Christmut Präger war es ein Schock, als er vor zwei Monaten erfuhr, dass das Haus im Zechnerweg 8 in Schlierbach abgerissen werden soll. "Das Haus ist ein besonders auffällig gestaltetes und fast unverändert erhaltenes Beispiel für das ,Neue Bauen‘ aus der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg", sagte Präger damals der RNZ. Er sah in dem Gebäude ein einzigartiges Heidelberger Baudenkmal, das erhalten werden sollte.
Nach Veröffentlichung des Interviews schrieben ehemalige Bewohner des Hauses an die RNZ, die den geplanten Abriss ebenfalls bedauerten. Nachbarn im Zechnerweg hingegen zeigten sich erleichtert, da der "Betonklotz", wie viele das Haus nennen, seit Jahrzehnten verfalle.
Nun hat die Macht des Faktischen alle ästhetischen Argumente überholt: In den vergangenen Wochen wurde das Haus abgerissen. Warum griff der Denkmalschutz nicht ein? Laut Stadt hatte das Landesdenkmalamt das Gebäude bereits 2004 begangen - und dabei festgestellt, dass "es keine Kulturdenkmaleigenschaft begründen kann", wie eine Stadtsprecherin der RNZ mitteilt. So sei damals der Wert des Gebäudes als Zeitzeugnis für die 1920er Jahre an sich als nicht denkmalwürdig eingestuft worden. Zudem sei die zugehörige Innenausstattung im Laufe der Jahre - das Gebäude stand wohl viele Jahre leer - weitgehend verrottet. "Der gesetzlichen Erhaltungspflicht gemäß dem Denkmalschutzgesetz unterliegen jedoch nur Kulturdenkmale", so die Sprecherin.
Wer das Anwesen besitzt, darf die Stadt wegen des Datenschutzes nicht sagen. Jedoch hat die Stadt, wie sie der RNZ mitteilte, im Zechnerweg 8 einen Neubau genehmigt: Dort sollen Vereinsräume, eine Wohnung und eine Garage entstehen. Nach RNZ-Recherchen handelt es sich bei dem Verein um die "Sri Aurobindo Society", die ihren Deutschland-Sitz in Weinheim hat. Sri Aurobindo (1872 bis 1950) war ein indischer Politiker, Philosoph, Yogi und Guru, der die humanistische Bildung des Westens mit den Weisheitslehren und spirituellen Traditionen Indiens verband. Der weltweite Verein, dessen deutscher Zweig vor 30 Jahren gegründet wurde, setzt sich dafür ein, Sri Aurobindos Ideal von der fortschreitenden, universellen Harmonie zu verwirklichen - unabhängig von Nationalität oder Religionszugehörigkeit. Die Vereinsmitglieder meditieren etwa gemeinsam oder veranstalten Vorträge.
Einer von Sri Aurobindos Schülern ist übrigens der 2007 verstorbene Sri Chinmoy, dessen Anhänger in Ziegelhausen eine Art Tempel errichtet haben. Im Gegensatz zur Sri-Aurobindo-Gesellschaft wurden der Sri-Chinmoy-Bewegung immer wieder sektenähnliche Strukturen unterstellt. Verschiedene Gerichte in Deutschland stuften diese Vorwürfe jedoch immer wieder als unbegründet ein.