Von Heribert Vogt
Nachdem der Heidelberger Fotograf Milan Chlumsky, seit Langem RNZ-Mitarbeiter, am Wochenende von einer Ausstellung im chinesischen Panjin berichtet hat, äußert er sich nachfolgend über seine eigenen dort gezeigten Fotografien.
Herr Chlumsky, Sie waren kürzlich an einer Kunstausstellung im chinesischen Panjin beteiligt. Dort waren künstlerische Fotografien von Ihnen zu sehen. Was war das Gesamtthema?
Der Titel der Ausstellung in Panjin, einer Stadt mit 1,3 Millionen Bewohnern, lautete übersetzt "Steine eines anderen Bergs". Er steht als Metapher dafür, dass sich zwei monumentale Kulturen auf Augenhöhe begegnen. Die chinesische Seite war mit 14 Künstlern und die deutsche mit fünf Künstlern vertreten. Jeder hat das Thema auf seine Weise interpretiert.
Der in Deutschland lebende Kurator Yang Qi ist ein ausgezeichneter Kenner der deutschen wie chinesischen Kunstszene. Er wurde 2017 von der chinesischen Seite um eine Austausch-Ausstellung gebeten, weil er dort ein hohes Renommee genießt.
Yang Qi ist Professor an zwei Kunstakademien in China und zugleich in Düsseldorf als Künstler und Lehrer tätig. Einer seiner wichtigsten Beiträge zum künstlerischen Austausch war sein Pavillon Düsseldorfer Künstler bei der 9. Schanghai Biennale. Zu nennen ist auch eine Ausstellung mit Jörg Immendorf und chinesischen Künstlern im Ludwig Museum in Koblenz.
Wie viele Ihrer Fotografien wurden dort präsentiert, und wie passten sie in die Ausstellung?
Es waren sechs großformatige Bilder aus meiner "Luna-Serie" zu sehen. Ich hatte mir gewünscht, dass die Hängung nebeneinander, nicht übereinander verläuft. Es ging darum, die besonderen Aufnahmen von Mond und Venus in den verschiedenen Phasen - aufgehender und abnehmender Mond - in der richtigen Reihenfolge zu zeigen. Drei chinesische Studenten haben dafür an Ort und Stelle sehr akkurat Rahmen aus Holz gefertigt.
Was ist auf diesen Aufnahmen zu sehen?
Mit diesen Fotografien habe ich den Versuch unternommen, mit der Kamera zu malen. Und dabei möglichst klar und reduziert zu arbeiten. Das scheint auf den ersten Blick sehr einfach, nur ist es so, dass man in fast vollkommener Dunkelheit die Kamera und das Objektiv so auf den Mond richten und dann bewegen muss, dass der Lichtstrahl die gewünschten Formen zeichnet. Dabei muss man sich darauf konzentrieren, mit der ursprünglichen Fläche eines Kleinbildes - das sind 24 x 36 mm in der Analogfotografie - auszukommen und die Kamera nicht darüber hinaus zu schwenken.
Mit welcher Technik wurden die Fotografien erstellt?
Bei den ersten Analogaufnahmen habe ich hochsensible Filme von Ilford oder Kodak verwendet, doch die Ergebnisse fand ich durch das viele Streulicht, das es in unseren Städten gibt, unbefriedigend. Dann habe ich erste Versuche mit der Digitalkamera gemacht, wobei ich immer im manuellen Modus arbeite. Das heißt, ich schätze die "Lichtqualität" ein, entscheide mich je nach Lichtintensität für eine bestimmte Blende und schätze auch die Belichtungszeit ein, indem ich einfach laut die Sekunden zähle.
Die Serie ist über zehn Jahre entstanden. Die Herausforderung bestand darin, möglichst ähnliche oder gleiche Lichtverhältnisse zu finden, um in der gleichen Tonlage zu bleiben: etwas bräunlicher bei aufgehendem, etwas gleichbleibender schwarz-weiß bei abnehmendem Mond. Nicht immer spielte das Wetter mit, und im Winter kann es nach zehn Minuten bitterkalt sein. Apropos: Ich habe die Aufnahmen ohne Stativ aus der Hand gemacht.
Wie war die Vorgeschichte für diese Art von Fotos?
Als Kind habe ich gehört, dass man die erdabgewandte Seite des Mondes nie sehen kann. Meine Großmutter habe ich gefragt, ob man sich nicht mit einem Spiegel behelfen könnte. Später habe ich vom aschgrauen Mondlicht gelesen, was auf die Rückstrahlung von der Erde auf den Mond zurückgeht, was auch Leonardo da Vinci kannte.
Es war mir nicht klar, ob das, was man mit einem Fernglas bei Neumond sah, wirklich der Mond war oder die Strahlung der Erde. Später habe ich die erste Fotografie des Mondes von John W. Draper von seiner Dachsternwarte in New York 1840 gesehen. Es handelte sich um eine Daguerreotypie, also eine Aufnahme auf einer auf hochglanzpolierten Silberplatte, die etwa 10 bis 20 Sekunden belichtet werden musste und mit Brom- und Joddämpfen in einer komplizierten Prozedur entwickelt wurde.
Das nicht perfekte Bild von Draper zeigte zwei Dinge aber deutlich: den runden Mond und die Sichel (ergo den Schatten der Erde), so genau gezeichnet, als ob der Fotografiepionier einen Zirkel zur Hand gehabt hätte. Die Feinheit der Linien fand ich überwältigend - sie ist dann in einigen meiner Fotografien auch so zu sehen.
Gibt es in der Fotografie eine Strömung, der diese Kunstaufnahmen zugeordnet werden können?
Man könnte vielleicht eine entfernte Linie zu Fotogrammen ziehen, wie sie Man Ray, Christian Schad, Moholy-Nagy oder Floris Neusüss gemacht haben. Allerdings geht es dabei darum, das Sonnenlicht vorhandene Gegenstände ohne Kamera ablichten zu lassen. Mit der Kamera und dem Mondlicht zu malen, und das systematisch über Jahre, da bin ich bisher auf nichts Vergleichbares gestoßen.
Für mich ist das Faszinierende daran die Verbindung aus der Gegenständlichkeit der Mondsichel und den abstrakten Formen, die sich aus der Kamerabewegung ergeben: mal zarte Linien, mal üppigere Volumen, die einige Ausstellungsbesucher zunächst für Aktaufnahmen gehalten haben.