Eberbach. (fhs) Nur noch Altvordere werden sich daran erinnern, dass in den 1950er Jahren die Kommunistische Partei Chinas einen gesellschaftlichen Aufbruch wagte mit der Aufforderung "Lasst hundert Blumen blühen, lasst hundert Schulen miteinander wetteifern" Damit hat der einstimmige Eberbacher Gemeinderatsbeschluss zum Projekt "Natur nah dran" nun wirklich nichts zu tun. Aber man könnte durchaus Bezug zu diesem historischen Ereignis herstellen.
Jetzt werden fünf Projektflächen mit zusammen 1146 Quadratmetern hinzukommen, auf die mit 15.000 Euro Landeszuschuss zertifizierte regionale Saatgutmischungen auf eigens hergerichtetem Boden ausgebracht werden. Bienen, Schmetterlinge, Hummeln, Käfer und viele weitere Insekten sollen so Nahrung und Unterschlupf finden können. Die Stadtverwaltung hat am Landeswettbewerb "Natur nah dran" mit einem Konzept teilgenommen und erhält unter 64 Kommunen als eine von 13 ausgewählten Gemeinden nun einen Zuschuss.
Eberbachs Umweltbeauftragter Klemens Bernecker erinnerte in der Ratssitzung daran, dass früher reiche Insektenbestände arg zurück gingen. "In bestimmten Gebieten gibt es einen Artenrückgang von bis zu achtzig Prozent." Im Gemeinderat erläuterte Bernecker übergeordnete Zusammenhänge: Insekten dienen etwa Singvögeln als Jungtiernahrung, und vor allem sind fast neunzig Prozent der Blütenpflanzen auf Insekten als Pollenüberträger angewiesen.
Um derartige Insektenfördergebiete einzurichten, sind an den fünf Projektflächen Erdarbeiten erforderlich. Mineralisches Substrat und gütegesicherter Kompostboden ist einzubringen.
Weil die Stadtgärtnerei in der Wachstumsperiode mit den ihr zugewiesenen Aufgaben ausgelastet ist, schrieb das Rathaus die Arbeiten beschränkt unter fünf Fachbetrieben des Garten-/Landschaftsbaus aus. Zwei Firmen gaben daraufhin Angebote ab. Den Zuschlag erhielt als günstigster Bieter die ortsansässige Firma Andreas Huy Gartengestaltung für rund 32.200 Euro.
Weil die bereit gestellten Haushaltsmittel von 47.500 Euro schon für andere Projekte vorgesehen sind, stimmte der Gemeinderat zu, außerplanmäßig 35.400 Euro für das gesamte Vorhaben bereit zu stellen. So wird nach dem Anlegen der Flächen die Stadtgärtnerei die "Fertigstellungspflege" übernehmen.
"Der Erhalt der ökologischen Vielfalt sollte uns das Geld wert sein." kommentierte AGL-Stadtrat Christian Kaiser. CDU-Stadtrat Karl Braun erinnerte daran, dass Landwirte jahrzehntelang Neckarwimmersbacher Flächen mähten - und zwar häufiger, als jetzt geplant. Braun mahnte auch, man müsse auf die Bedürfnisse von Heuschnupfenallergikern Rücksicht nehmen..
FWV-Stadtrat Dr. Dietmar Polzin erkundigte sich, ob hier nicht Bürgerengagement beim Pflegen der Flächen einzubinden wäre. Bürgermeister Peter Reichert: "Wir beweisen erst, dass es geht. Das wäre dann erst ein zweiter Schritt."
Wenn man weiß, dass nach der Anlage einer solchen "Lebensraumfläche für biologische Vielfalt" mitunter fast eine ganze Vegetationsperiode vergehen kann, bis die hier erwünschten Wildblumen- und -kräuter sichtbar sprießen, ahnt man, warum der Bürgermeister vorsichtig formuliert; Kritik an ungemähtem oder ungepflegtem öffentlichem Grün ist ihm nicht unbekannt.
Und hier drängt sich der Vergleich zu Maos Hundert-Blumen-Zitat auf: als die KPCh 1957 sah, dass in dessen Folge kritische Äußerungen aus ihrer Sicht überhand nahmen, würgte sie den damaligen chinesischen Frühling auch schnell wieder ab. Nicht nur Umweltbeauftragter Bernecker hofft, dass nach über 60 Jahren im Interesse der bedrohten Insektenarten in Europa dem Projekt "Natur nah dran" nicht das gleiche Schicksal blüht.