Von Thomas Maier
Frankfurt. Das Thema Wohnen hat den eher zahmen Wahlkampf beherrscht in einer Stadt, die jährlich bis zu 15.000 Neubürger aufnehmen muss. Dafür dürfen am kommenden Sonntag rund 511.000 Frankfurter bei der Oberbürgermeisterwahl ihre Stimme abgeben - das sind mehr Wähler als je zuvor. Insgesamt elf Herausforderer wollen Amtsinhaber Peter Feldmann (SPD) den Chefsessel im "Römer" streitig machen. Dabei haben sich besonders drei Frauen hervorgetan: Bernadette Weyland (CDU), Janine Wissler (Linke) und Nargess Eskandari-Grünberg (Grüne). Weyland gilt als aussichtsreichste Konkurrentin für Feldmann.
Die Bewerber wirkten in den vergangenen Wochen allerdings wenig inspiriert für echte Kontroversen. Dabei mangelt es nicht an brennenden Themen. Neben Bildung und der sozialen Kluft in der Stadt geht es vor allem um fehlende Wohnungen. Und wenn neue gebaut werden, dann sind sie für Normalverdiener oft nicht mehr bezahlbar. Hinzu kommt, dass wie überall in Deutschland immer mehr Wohnungen aus der Sozialbindung gefallen sind. Feldmann hatte das Thema instinktsicher bereits vor sechs Jahren bei seiner damals fast sensationellen Wahl ins Visier genommen - an der Not hat sich jedoch nichts geändert, da die Stadt beim Bauen gar nicht hinterherkommen kann. Frankfurt nähert sich rapide der 750.000- Einwohner-Marke. Hinzu kommen noch die gut betuchten Brexit-Flüchtlinge aus London. Keiner weiß, wie viele es sein werden.
Feldmann möchte nun die öffentliche Förderquote bei der städtischen Wohnungsbaugesellschaft ABG von 40 auf 50 Prozent erhöhen. Außerdem will er das Einfrieren der Mieten bei der ABG fortsetzen, die in Frankfurt mehr als 50.000 Wohnungen hat. Allerdings hat die Gesellschaft auch in den vergangenen Jahren teure Wohnungen gebaut. Zugleich hat sie erstklassige Wohnlagen an Investoren verkauft, die Luxus-Wohntürme mit schwindelerregenden Quadratmeterpreisen errichten - siehe das Hochhaus "OneFortyWest" auf dem ansonsten nur langsam wachsenden "Kulturcampus".
An dieser Politik waren auch die in Frankfurt traditionell starken Grünen beteiligt, die zusammen mit der CDU die Stadt seit 2006 regieren. Erst seit zwei Jahren gehört auch die SPD diesem Groß-Bündnis im Stadtparlament an. Den Linken fällt es daher leicht, diese Entwicklung aufs Korn zu nehmen. Ihre Kandidatin Wissler, die Fraktionschefin im Landtag, will sogar die öffentliche Förderquote bei der ABG auf 80 Prozent erhöhen. Doch die Frage ist, ob Frankfurt seine Wohnungsprobleme überhaupt im verdichteten Stadtgebiet lösen kann. Feldmann will daher einen neuen Stadtteil für 30.000 Menschen auf beiden Seiten der A 5 im Nordwesten bauen lassen. Weyland hält dies für völlig unrealistisch.
Die frühere Finanzstaatssekretärin hat neben dem Thema Sicherheit die Schulmisere in Frankfurt für sich entdeckt. Die Stadt hat viele marode Einrichtungen mit hohem Sanierungsbedarf. Außerdem fehlen neue Schulen. Weyland hat in einem "Masterplan" Investitionen von einer Milliarde Euro angekündigt. Feldmann, der kostenlose Kitas verspricht, hat bei dem Thema inzwischen ebenfalls nachgezogen.
Was Versprechungen angeht, lassen sich auch andere Bewerber nicht lumpen: Grünen-Kandidatin Eskandari-Grünberg will ein 365-Euro-Jahresticket im öffentlichen Nahverkehr einführen - rund 500 Euro weniger als der jetzige Tarif. Wissler will Busse und Bahnen ganz kostenlos machen. Eher populistische Law-and-Order-Themen bedient als unabhängiger Kandidat der frühere Frankfurter Ordnungsdezernent, Volker Stein. Dieser ist in der FDP, doch seine Partei wollte ihn nicht als Kandidaten offiziell unterstützen.
Prognosen für den Ausgang der Wahl am Sonntag sind schwierig. Feldmann gilt zwar als klarer Favorit. Die schwere Krise der Bundes-SPD könnte aber auf ihn durchschlagen. Von der Popularität seiner Vorgängerin, Petra Roth (CDU), ist Feldmann ohnehin deutlich entfernt. Anders als Roth hat sich der OB bundesweit bisher auch keinen Namen gemacht. Noch weiter weg von Roth ist aber Weyland. Die Unions-Kandidatin würde zu gerne in die Fußstapfen ihrer prominenten Parteifreundin treten.
Es könnte am Sonntag auf eine Stichwahl zwischen Feldmann und Weyland hinauslaufen, die am 11. März stattfinden würde. Der OB selbst rechnet auch nicht damit, dass ein Kandidat schon im ersten Wahlgang die notwendigen 50 Prozent erhält. Mitentscheidend dürfte dabei die Wahlbeteiligung sein. Vor sechs Jahren hatten nur 37,5 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme abgegeben. Beim fälligen zweiten Wahlgang waren es sogar noch weniger gewesen.