Von Brigitte Fritz-Kador
Heilbronn. Die Aufgeregtheit, mit der man in Heilbronn Stimmung macht und dabei die sich vor allem die Treppen der Kilianskirche und den Marktplatz versammelnden jungen männlichen Flüchtlinge im Visier hat, sie herrscht sehr viel weniger bei den Kirchgängern und weiteren Betroffenen, wie etwa dem Einzelhandel und auch nicht bei der Polizei - das zeigte sich einer Anhörung im Verwaltungsausschuss des Heilbronner Gemeinderates, die OB Harry Mergel auf Antrag von CDU-Fraktionsführer Alexander Throm recht schnell auf die Tagesordnung gesetzt hatte. Er stützte sich dabei auf ihm zugegangene Bürgerfragen und -beschwerden mit Ängsten und Befürchtungen ob dieser Szenerie.
Heilbronn ist, darin waren sich alle von dem Thema Betroffenen in ihrer Anhörung einig, immer noch eine der, wenn nicht gar die sicherste Stadt in Baden-Württemberg, wird aber offenbar von vielen Heilbronnern und Besuchern der Stadt ganz anders gesehen. Weil aber ein Gefühl eben nur ein Gefühl ist und keine Faktenlage, kam die Debatte im Verwaltungsausschuss des Gemeinderates zur rechten Zeit, auch wenn letztlich die Frage unbeantwortet blieb, warum die Faktenlage und die Wahrnehmung von so vielen eine solche Diskrepanz zeigen.
Vermehrt in den Sommermonaten und vor allem nachmittags und an den Wochenenden ist dieser zentrale Ort in der Innenstadt der Treffpunkt junger Migranten, unter anderem, weil sie im Anschluss an verschiedene Kurse bei der VHS im Deutschhof die Stadtbahn nutzen. Derzeit finden bei der VHS 27 Integrationskurse mit durchschnittlich 18 Teilnehmern und Deutschkurse mit rund 500 Teilnehmern statt, wie VHS-Leiter Peter Hawighorst sagte. Im Deutschhof sind das etwa 100 Teilnehmer pro Tag, die sich nicht in Luft auflösen.
Hawighorst beschreibt sie so: "Die meisten haben einen Ausbildungsvertrag oder andere Perspektiven, sie sind lern- und arbeitswillig, zielstrebig und gewissenhaft." Problematisch sei nur die Gruppe, die keinen Zugang zu Integrationsangeboten hat, also Migranten aus den so genannten "sicheren Herkunftsländern". Sein Fazit: Sprache ist der Schlüssel zur Integration, aber große Gruppen blieben da noch außen vor.
Schnell wurde in der anschließenden Anhörung und Diskussion klar: Die jungen, meist männlichen Migranten, die sich hier treffen, tun dies vorwiegend aus zwei Gründen: Einmal um sich miteinander zu treffen und dann auch, weil sie dank freiem WLAN die Verbindung zur ihrer Heimat aufrecht erhalten könne - einige allerdings wohl auch, um mit Kleinmengen von Rauschgift zu handeln.
Ein hochrangiger Heilbronner Politiker sagt dazu: "Eine Szene, wie man sie fast auf jedem Schulhof immer wieder antreffen kann" - und das seit Jahrzehnten. Einer der Vorschläge: Freies WLAN an noch mehr Stellen anzubieten, damit sich die "Szene" verteilt.
Noch eindrucksvoller - auch mit Zahlen belegt - waren die Stellungnahmen von der Polizei, die in letzter Zeit, zusammen mit dem Kommunalen Ordnungsdienst und Streetworkern, ihre Präsenz schon verstärkt hat und nun ankündigte, diese nochmals auszubauen. Thomas Schöllhammer, Leiter der Kripo, und Wolfgang Reubold, Leiter der Polizeireviere, stellten übereinstimmend fest, dass sich weder am Marktplatz noch am Kiliansplatz oder vor der Kirche eine Szenerie entwickelt habe, aufgrund derer man gegensteuern müsse, mit Ausnahme der Drogendelikte. Auch Kilianskirchen-Pfarrer Hans-Jörg Eiding konnte keine Beobachtungen bestätigen, die Ängste oder Beschwerden rechtfertigten, ihn störe nur die zunehmende Vermüllung rund um die Kirche und daran seien alle beteiligt, "nicht nur die, die auf der Treppe sitzen."
Für die Heilbronner Einzelhändler hatte Eva Schnepf ("Seel") ebenfalls ein differenziertes Bild: Es gebe Einzelhändler, die von den Migranten profitierten, wie einige wenige, die darunter leiden. Als Beispiel nannte sie das Modegeschäft direkt neben der Kilianskirche. Sie selber fühle sich nicht bedroht, auch wenn sich die Atmosphäre in der Stadt geändert habe. Schnepf regte an, den Migranten einen Treffpunkt zu bieten, beispielsweise ein Café mit WLAN und in Selbstverwaltung.
Bürgermeisterin Agnes Christner sagte, man nehme das Anliegen der Bevölkerung ernst, konnte aber nur von einer einzigen konkreten Beschwerde berichten, die in den letzten Monaten im Rathaus eingegangen war. Und Herbert Burkhardt (Freie Wähler), selber bis vor kurzem noch als Polizeihauptkommissar im Dienst und auch als engagierter Flüchtlingshelfer bestens im Bilde, warnte davor, sich so auf die Flüchtlinge zu fokussieren. Der Vorschlag einer Videoüberwachung wiesen er, die Polizeivertreter und auch OB Mergel zurück, weil es auch dafür keine gesetzliche Grundlage gebe.