Von Marco Partner
Hirschberg-Großsachsen. Auf einmal übernimmt sein Alter Ego "Günda" vollends das Kommando. "Abene Hoar, zuene Noas, kabuddene Fieß, ich krieg die Kries", singt die innere Stimme des Künstlers in feinster Kurpfälzer Mundart. Aber nicht nur das. Rhythmisch im Blues-Takt ohrfeigt sich der Kabarettist plötzlich selbst.
Auch ein paar Klatscher auf die "abene Hoar", zu Hochdeutsch "die Glatze", dürfen nicht fehlen. Sehr zur Freude des schallend lachenden Publikums in der Alten Turnhalle. Feinstes Oxford-Deutsch, derbster Walldorf-Dialekt: Arnim Töpel redet gerne, wie ihm die Schnut’, pardon, wie ihm der "Schnawwl" gewachsen ist. Am Sonntagabend kommt bei seinem Auftritt in Großsachsen aber nicht nur die Redekunst, sondern auch die musikalische Ader des "Masterbabblers" voll zur Geltung.
Silbern schimmernder Smoking, zitronengrünes Hemd: Das Anwaltskorsett möchte der gelernte Jurist auch nach fast 20 Jahren Bühnenerfahrung nicht ablegen. Messerscharfe Urteile fällt der adrette Alleinunterhalter vor allem, wenn’s um eine Sparte geht: die Sprache beziehungsweise die "Sprooch". Hochdeutsch oder Kurpfälzisch, das ist für den bilateralen Bluesdenker keine Huhn-oder-Ei-Frage. "Dialekte sind natürlich gewachsen, während Hochdeutsch ein Kunstprodukt ist", zitiert auch VHS-Veranstalter Hans-Jürgen Fuchs im Vorfeld den Tübinger Kulturwissenschaftler Hubert Klausmann.
Für Arnim Töpel eine leidvolle Erfahrung. Denn auch wenn er in Heidelberg das Licht der Welt erblickte, musste er sich als Sohn Berliner Eltern mit dem Image des "Zugezogenen" durch die Kindheit boxen, sich den soziokulturellen Background als Kurpfälzer erst hart erarbeiten.
Und so lebt seine Show vom Dualismus, vom wortgewandten "Bilateralschaden", dem ewigen Duell zwischen "Reden" und "Babble". "Ein Dialekt unterscheidet sich nicht nur von Land zu Land, sondern von Dorf zu Dorf", erklärt er - und schnippt die Finger: "Du kannschd net hewe" (Du kannst es nicht festhalten), schlägt er das Mundart-Lexikon weit auf, singt von "babbisch Gutsel", erklärt den Unterschied zwischen "dabbisch" und "bleed" und widmet am Keyboard auch notorischen Lügnern, kurz den "Liejebeideln", ein eigenes Lied.
Mal wird dabei taktvoll auf die eigene Schulter geklopft, karateartig auf die Tasten gehauen oder die Wangen zum Schlagzeug umfunktioniert. "Mit diesem Arrangement bin ich etwas unzufrieden", lässt Töpel sein zweites Ich "Günda" wissen.
Wie ein Phonetikdozent durchstöbert der humorvolle Sprachanwalt dabei die Tiefen der Kurpfälzer Wortkiste und erklärt die vokalen Feinheiten. "Vom O kommt alles, zum O geht alles", nehmen seine linguistischen Erklärungen fast schon ein buddhistisches Ausmaß an. "In Sunn is kee O, awwer im Ohmer." Sonne, Eimer? Von Walldorf bis Waldhof werden beim Singsang zwischen Rhein und Neckar eben so manche Vokale durcheinandergewirbelt.
Lange habe Töpel den eigenen Dialekt unterdrückt. Bis es bei einer Sitzung - lange vor seiner Kabarettkarriere - plötzlich aus ihm herausplatzte. "Ach, härr doch uff", konnte er seine Herkunft nicht mehr länger verleugnen. "Günda" ward geboren, und so wie er seinem Schöpfer rhythmische Ohrfeigen verteilt, so applaudiert das Publikum. Dialekt kann eben befreiend wirken. Man muss nur "Alla gut!" zum Leben sagen.