Von Karin Katzenberger-Ruf
Heidelberg/Rhein-Neckar. "Ich bin positiv überrascht. Der Junge spricht schon sehr gut deutsch und will vor seinem Hauptschulabschluss ein Praktikum bei uns machen", sagt Bernhard Metz, Seniorchef einer Elektrofirma in Schwetzingen. Es ist noch früh am Morgen, das "Job-Speed-Dating" für Geflüchtete im Veranstaltungsraum der Luthergemeinde in Heidelberg-Bergheim hat gerade begonnen. Bis zum frühen Nachmittag treten dort rund 270 Arbeitssuchende mit möglichen Arbeitgebern aus der Region in Kontakt. Gedacht ist die Aktion für Asylbewerber, auch für geduldete sowie für anerkannte Flüchtlinge.
Das Prozedere ist einfach: Interessent und Arbeitgeber "beschnuppern" sich einige Minuten - es wird quasi spontan entschieden, ob die Chemie stimmt und eine Einladung zum Praktikum oder gar zu einem Vorstellungsgespräch folgt.
Eine Syrerin hat am Tisch eines Unternehmers Platz genommen, der 1989 selbst als kurdischer Migrant nach Deutschland kam. Damals war er gerade zehn Jahre alt, verfolgte aber schon bald hartnäckig sein Ziel, ein erfolgreicher Kaufmann zu werden. Sahin Karaaslan aus Leimen hat als Betreiber von mehreren REWE-Märkten sein Ziel erreicht. Der Bewerberin an seinem Tisch, die sich für eine Tätigkeit als Bürokauffrau interessiert, macht er keine Hoffnungen, die er nicht erfüllen kann. Er findet, ihre Deutschkenntnisse seien dafür noch nicht ausreichend. Er rät ihr, daran zu arbeiten. Fernsehen und Kinderbücher lesen, schlägt Karaaslan vor, weil die Sprache da so einfach sei. Bei ihm selbst habe diese Methode funktioniert.
Das "Job-Speed-Dating", das erstmals im März 2017 über die Bühne ging, ist eine Gemeinschaftsaktion der Agentur für Arbeit Heidelberg, den Jobcentern Heidelberg und Rhein-Neckar, Caritasverband und Diakonischem Werk, Asylarbeitskreis und Stadtverwaltung Heidelberg. Schirmherr ist Oberbürgermeister Eckart Würzner.
Die Grußworte überbrachte Dörthe Domzig, Leiterin des Amtes für Chancengleichheit. Seinen Lebensunterhalt selbst bestreiten zu können, sei für das persönliche Leben und für den sozialen Zusammenhalt in einer Stadt von besonderer Bedeutung, sagte sie und bezeichnete das Job-Dating als wunderbare Initiative, um Menschen in der völlig fremden Umgebung einen Neuanfang zu ermöglichen. Als operativer Geschäftsführer der Arbeitsagentur verwies Jochen Weber auf die Einstiegsqualifizierung und finanzielle Fördermöglichkeiten vor Abschluss eines Ausbildungs- oder Arbeitsvertrags. Bekanntlich herrscht in Pflegeberufen personeller Notstand. "Wir hatten schon mal zwei Praktikanten, aber das hat kulturell wegen der Beziehung zwischen Männern und Frauen nicht gepasst", erinnert sich Susanne Roth, stellvertretende Pflegedienstleiterin im Altenpflegeheim St. Michael in Heidelberg-Handschuhsheim. Der Mann, der nun an ihren Tisch kommt, hat auch nicht unbedingt die Pflege, sondern eher handwerkliche Tätigkeiten im Sinn.
Mit einer Afghanin, die gerne eine Ausbildung in der Altenpflege machen würde, ist indessen ein Mitarbeiter der Arbeiterwohlfahrt gerade im Gespräch. "Die meisten Flüchtlinge haben ihr Smartphon mitgenommen, aber die wenigsten irgendwelche Papiere - das verstehe ich nicht." Auch solche Sätze sind beim Job-Speed-Dating zu hören. Natürlich würde der Nachweis über Schul- und Berufsausbildung die Vermittlung wesentlich erleichtern, betont Jochen Weber - unterdessen gehen die Gespräche an den Tischen weiter ...
