Von Philipp Weber
Weinheim. In den nächsten zehn Tagen ist es soweit. "Dann geben wir die Änderungsanträge bei der Stadt ab. Wir rechnen damit, dass es im Mai losgehen kann", sagt Projektleiter Max Zeitz, Mitarbeiter der Wesbau-Gruppe. Höchste Zeit, könnte man sagen: Nachdem die Karlsberg-Passage vor rund zwei Jahren in den Besitz des Mannheimer Unternehmers Wilfried Gaul übergegangen war, sollte Wesbau das Ensemble eigentlich schon 2017 um- und ausbauen. Doch die früheren Pläne scheiterten, unter anderem an rechtlichen Hürden. Es mussten neue Ideen her - die nun vorliegen.
Das Grundkonzept
Projektchef Zeitz und seine Mitarbeiter haben die potenzielle Kundschaft genau analysieren lassen. Ergebnis ihrer Milieustudie: Der Bereich zwischen Bahnhofs- und Institutstraße dürfte in den kommenden zehn bis 15 Jahren für eine ältere (60 plus), zahlungskräftige Klientel interessant werden. Diese stellt in Weinheim einen vergleichsweise hohen Bevölkerungsanteil: Nirgendwo sonst im Kreis ist die Kaufkraft so hoch. Im künftigen "Karlsberg-Carré", wie die Investoren die Passage jetzt nennen, sollen sich Dienstleistungen mit Handel und Gastronomie ergänzen.
Konkret: Wer Termine bei Orthopäde, Spezialoptiker und Akustiker hat oder im Lieblingsrestaurant in der Nähe Plätze reserviert, kauft davor oder danach noch im Carré ein. "Ein solches Angebot hat Weinheim bisher gefehlt", findet Zeitz. Dafür sieht er schon heute Indizien: "Die Händler erzählten, dass ihre Geschäfte werktags gut gehen - wenn die Praxen geöffnet haben."
Die Sanierung
Die Erschließung des Carrés soll den Bedürfnissen der Kundschaft Rechnung tragen. "Die Leute müssen sich schnell und bequem bewegen können", so Zeitz. Der massivste Eingriff betrifft Tiefgarage und Erdgeschoss: Eine Rolltreppe soll beide Ebenen verbinden. Für Barrierefreiheit sorgt ein Glasaufzug. Dieser kommt ins Zentrum des Carrés und führt von der Tiefgarage ins Obergeschoss. Zusätzlich gibt es eine Wendeltreppe. Mithilfe der Glaskonstruktion soll sogar Tageslicht in die Tiefgarage fallen.
Auch rein äußerlich ändert sich einiges: An der Bahnhofstraße entsteht ein neuer Baukörper. Das heutige Sockelgeschoss wird dagegen verkleinert. Die Dachkonstruktionen, die massive Stahlbetonbrüstung und die Stahlbetontreppen verschwinden oder weichen modernen Materialien.
Der Handel
Lange Zeit war über eine Wiederbelebung des früheren Supermarkts diskutiert worden. "Ein Edeka-Händler aus der Region hatte Interesse", so Zeitz. Seine Pläne zerschlugen sich jedoch, weil die Edeka-Konzern-Zentrale sie nicht unterstützte. Angesichts der großen Zahl von "Qualitätssupermärkten" in Weinheim verwundert das kaum.
Den Plänen zufolge sollen viele der bisherigen Mieter dableiben und sich zum Teil vergrößern können - in zeitgemäßen Räumen. Dazu zählen unter anderem Textilgeschäfte, ein Blumengeschäft, ein Telekommunikationsanbieter und ein Bistro. Ein nahegelegener Optiker soll seinen Standort hierher verlegen. Zudem laufen Gespräche, etwa mit einem Bio-Metzger sowie einem Reisebüro. Laut Konzeptpräsentation sollen auch ein Schuhhändler, eine Bank oder ein Nagelstudio kommen oder bleiben. Nicht zu vergessen: der Friseursalon. Auch die italienische Gastronomie im Obergeschoss bleibt.
Das Kino im Carré
Er ist in Weinheim bekannt wie ein bunter Hund: Kinobetreiber Alfred Speiser könnte vom neuen Carré profitieren und im bisherigen Billard-Café aktiv werden. Projektchef Zeitz warnt jedoch vor übertriebener Euphorie: Er will den Standort am Karlsberg nicht als neue Weinheimer Gastro- und Kulturmeile (miss-)verstanden wissen.
Dennoch sollen für das neue Angebot drei bisherige Einzelflächen zusammenwachsen. "Das Ganze passiert auf zwei Ebenen", sagt Zeitz. Oben soll eine Gastronomie einziehen, unten sind drei Kinosäle: einer für etwa 30 Besucher, zwei für rund ein Dutzend Gäste. Die kleineren Säle könnten dann angemietet werden - etwa für ein Kino- oder Fußballerlebnis unter Freunden und mit Bewirtung. Die Wesbau und Zeitz loben Speiser in den höchsten Tönen: "Das Moderne Theater hat seine Nische besetzt und zieht 90.000 Besucher im Jahr an."
Zahlen und Fakten
Die heutige Karlsberg-Passage ging 1989 an den Start. In den darauffolgenden Jahrzehnten entwickelte sie sich - gemeinsam mit dem inzwischen grundsanierten Multzentrum - zum "Sorgenkind" der Stadt. Häufige Eigentümerwechsel erschwerten eine Weiterentwicklung des Bestands, Handelsflächen standen leer. Dabei geriet fast in Vergessenheit, dass von rund 10.850 Quadratmetern Mietfläche 3877 Quadratmeter dem Thema Wohnen vorbehalten sind. Auch hier sollen die Fassaden auf den neuesten Stand gebracht werden. Auch die Bodenbeläge harren einer Erneuerung: Auf der Terrasse werden Holzdielen verlegt, den Zugang von der Institutsstraße aus prägt ein Pflasterbelag.
Die Zeitschiene
Zeitz rechnet mit einer Sanierungsdauer von gut einem Jahr. Der spektakulärste Bauabschnitt steht im Juni an: Dann wird die zweiläufige Rolltreppe eingebaut. Die Gesamt-Kosten sieht man bei über 20 Millionen Euro.