Von Birgit Sommer
Heidelberg. Eigentlich gibt es beim Neujahrsempfang des Universitätsklinikums immer viel Positives zu berichten. Entsprechend gelöst ist dann die Stimmung. Diesmal war der Empfang im Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) ein bisschen überschattet vom angekündigten Streik der Pflegekräfte am Folgetag. "Auch wenn wir in Heidelberg gut verstehen, dass die Bedingungen für Pflegekräfte verbessert werden müssen, ist das doch nur begrenzt durch das Klinikum steuerbar", sagte Prof. Annette Grüters-Kieslich, die Leitende Ärztliche Direktorin, bei der Begrüßung. "Es ist ein gesamtgesellschaftliches Problem", unterstrich sie, "wir brauchen Maßnahmen, die den Beruf attraktiver machen und uns die Finanzierung erlauben, ohne die Stabilität des Klinikums zu gefährden."
Ihr Dank galt wieder den Mitarbeitern ("Innovationsführerschaft des Klinikums ist nur durch die Menschen möglich.") und Förderern wie der Dietmar-Hopp- und der Klaus-Tschira-Stiftung. "Ohne dieses zivilgesellschaftliche Engagement wäre unsere Entwicklung nicht möglich", erklärte Grüters-Kieslich. Natürlich sprach sie auch die "vertrackten Verkehrsverhältnisse" im Neuenheimer Feld an. Das Klinikum habe sich vorgenommen, die Öffentlichkeit künftig aktiv zu informieren und einzubeziehen.
Die Kaufmännische Direktorin Irmtraut Gürkan, zuständig für den Umsatz in Höhe von rund einer Milliarde Euro, will das Jahr 2017 mit einer "knappen schwarzen Null" abschließen. Ein weiteres Tochterunternehmen wurde nicht gegründet, es blieb bei den 13 Töchtern und inzwischen sechs Start-ups des Uniklinikums für Diagnostikverfahren und Therapien. Beim Bauen gibt es keinen Stillstand: Herzzentrum und Kindertumorzentrum sollen noch dieses Jahr auf den Weg gebracht werden, die umfangreiche Sanierung der Kopfklinik steht bevor, ebenso die Eröffnung der Chirurgischen Klinik im Jahr 2019 - "das schönste Neubauprojekt des Landes" (Gürkan).
Die aktuellen Zahlen lieferte Pflegedirektor Reisch in humorvoller Präsentation: 103 neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, 12.000 Mitarbeiter aus 109 Nationen, 66.000 Patienten wurden im letzten Jahr von 3657 Pflegekräften umsorgt; die Neueinstellungen summierten sich auf 47 Vollkräfte. Der jüngste Patient war ein Frühgeborenes nach 22 Schwangerschaftswochen. Der älteste Patient war 108 Jahre alt und wurde nach der Entlassung vom Rettungsdienst nach Hause gefahren - "nach längerer Wartezeit", spielte Reisch auf ein bekanntes Problem an.
Studium - 4000 junge Leute studieren in Heidelberg Medizin oder Medizinische Informatik - und Forschung sind das Thema des Dekans der Medizinischen Fakultät, Prof. Wolfgang Herzog. Bei den Forschungsleistungen werden die Heidelberger in internationalen Rankings auf Plätzen zwischen 30 und 50 eingestuft. "Es gibt extreme Konkurrenz", unterstrich Herzog, "vor allem die asiatischen Universitäten bewegen sich mit großer Geschwindigkeit." Herzog berichtete von der Medizininformatik-Initiative "HiGHmed" der Universitäten Heidelberg, Göttingen und Hannover, die vom Bundesforschungsministerium mit 30 Millionen Euro gefördert wird. Ziel ist es, die wachsenden Datenschätze aller Patienten - von Röntgenbildern bis hin zu Erbgut-Analysen - zu verknüpfen, sodass Mediziner für eine Therapie alle verfügbaren Erfahrungswerte und Forschungsergebnisse auf Knopfdruck abrufen können.
Den großen Wandel, der die Onkologie derzeit prägt, beschrieb Prof. Dirk Jäger als Hausherr im NCT beim Neujahrsempfang. Etwa Therapiekonzepte, die das Immunsystem des Patienten aktivieren oder umprogrammieren oder gar codierende Informationen in den Körper des Patienten geben, mit deren Hilfe dieser seinen Medikamenten-Cocktail selbst herstellen kann. "In präklinischen Studien funktioniert das schon."
Auch die Diagnostik wird anders werden. Möglicherweise werde man feststellen, dass etwa die Zusammensetzung der Darmbakterien mit entscheide, wie der Körper auf eine Therapie anspreche, sagte Jäger. "Wir brauchen Algorithmen, die uns helfen, die Informationen zu verstehen." Und ganz klar: "All das ist extrem anspruchsvoll." Die Zukunft der Krebsmedizin hat gerade begonnen.