Wiesloch. (aot) "Jedem Kind eine faire Chance" - unter diesem Titel stand der Gastvortrag, den Heinz Hilgers, Präsident des Deutschen Kinderschutzbundes, jetzt im Rahmen des FDP-Neujahrsempfangs im Wieslocher Kulturhaus hielt. Zu der Veranstaltung eingeladen hatten der FDP-Kreisverband und der Ortsverband Wiesloch-Südliche Bergstraße. Kreisvorsitzender Alexander Kohl bezeichnete eingangs das Jahr 2017 als historisch, da die FDP mit einem Wahlergebnis von mehr als zehn Prozent wieder in den Bundestag eingezogen und der hiesige Wahlkreis seit Jahrzehnten wieder mit einem eigenen FDP-Abgeordneten vertreten sei. Bürgermeister Ludwig Sauer wies in seinem Grußwort auf das große ehrenamtliche Engagement der Wieslocher Bürger hin, zu dem auch ein breit aufgestellter Kinderschutzbund gehöre.
Heinz Hilgers griff in seinem Vortrag zunächst den Fall auf, in dem ein Junge von der Mutter und ihrem Lebensgefährten missbraucht und verkauft worden ist. So etwas hätte er sich bisher nicht vorstellen können, das sei ihm auch in seiner Zeit als Leiter eines Jugendamtes nie begegnet. Was da geschehen sei, lasse das Opfer ein Leben lang nicht mehr los und hinterlasse tiefe Spuren. Obwohl das zuständige Jugendamt von den pädophilen Neigungen des Lebensgefährten wusste und den Jungen bereits aus der Familie herausgeholt hatte, habe ihn das zuständige Familiengericht, und in der Berufung sogar das Oberlandgericht, zurück in die "Obhut" der Mutter gegeben. Die Begründung war, dass die Familie nach unserer Verfassung ein hohes Gut darstelle und man ihr vor der endgültigen Wegnahme des Kindes noch einmal eine Chance geben müsse.
Nach Hilgers Meinung wäre dies nicht passiert, wenn die Rechte der Kinder so im Grundgesetz verankert wären, dass sie sich auf Augenhöhe mit den Elternrechten befänden. Das fordere der Kinderschutzbund schon lange und sei im europäischen Recht bereits geregelt. Dann hätte das Kind angehört und ihm ein Beistand zur Seite gestellt werden müssen. Kinder hätten zudem das Recht auf eine gewaltfreie Erziehung, führte Hilgers weiter aus. Das habe sich nicht zuletzt durch die Veränderung in der Rechtssprechung zum Positiven verändert. Der Referent forderte außerdem einen Rechtsanspruch für Kinder auf eine unabhängige Beratung in Konfliktfällen und eine verbindliche Weiterbildung für Richter in Kinder- und Jugendfragen.
Sorgen bereitet Hilgers die Zunahme der Kinderarmut. Mit ihr sinke die Chance auf eine angemessene Bildungsförderung und die Gesamtschule sei dafür alleine keine Lösung. Denn es gehe auch um die Ausstattung der Schulen und um deren Versorgung mit Lehrkräften. Für den Erziehungsprozess sei es auch enorm wichtig, dass Eltern und Lehrer zusammenarbeiteten und sich gegenseitig wertschätzten. Bildungsförderung müsse sehr früh einsetzen und in Hilfe zur Selbsthilfe münden. Sie müsse auch durch ein Menschenbild getragen werden, in das sich jeder mit seinen ganz eigenen Fähigkeiten einbringen könne, und das durch Achtung und Hilfsbereitschaft geprägt sei.
