Trump wäre nicht Trump, wollte er aus den Protesten im Iran für sich kein Kapital schlagen. Doch die Mittel zum Erfüllen des Traumes vom Regimewechsel sind begrenzt. Im Weg steht unbequeme Realpolitik. Beim Krieg gegen den sogenannten Islamischen Staat (IS) in Syrien und im Irak agieren Washington und Teheran trotz gegenseitiger Verwünschungen als Zweckverbündete. Der IS hat Priorität aus amerikanischer Sicht. Verteidigungsminister James Mattis – garantiert kein Freund des Iran – hat vor Kurzem mit Reportern über Syrien-Pläne gesprochen. Die Vereinigten Staaten bewegten sich dort von einem „offensiven Vorgehen ... zu einer stabilisierenden Rolle“ hin, meinte der Ex-General. Augenscheinlich mit Blick auf Trumps Twitter-Sorge um die Menschenrechte im Iran erklärte Mattis, die Kundgebungen hätten keinen Einfluss auf seine Beurteilung dieses Landes. Etwa 2.000 US-Militärs kämpfen angeblich in Syrien.
Trump hat schon früher gegen den Iran gewütet. Es ging ihm dabei stets um die einheimische Basis, bei der starke Worte gegen ein muslimisches Land gut ankommen. Über die Islamische Republik kann man herziehen, ohne politische Kosten fürchten zu müssen. Der Mullah-Staat hat in den USA ein ausgesprochen schlechtes Image seit der 444 Tage währenden Geiselnahme von US-Botschaftsangehörigen in Teheran von Ende 1979 bis Anfang 1981, begleitet von „Tod für Amerika“-Rufen. 2002 erklärte der damalige Präsident George W. Bush den Iran zum Teil der „Achse des Bösen“.
Im Wahlkampf hatte Trump Horrorgeschichten erzählt über den angeblich katastrophal schlechten Atomdeal mit Teheran, den sein Vorgänger Obama 2015 ausgehandelt habe. Der Iran verzichtete seinerzeit auf sein Nuklearprogramm, im Gegenzug wurde ein Teil der Sanktionen gekappt. Mitte Januar ist nun für Trump erneut die Bewertung fällig, ob die Gegenseite alle Vertragsbedingungen einhält. Das US-Gesetz verlangt eine solche „Zertifikation“ durch den Präsidenten in regelmäßigen Abständen.
Im Oktober hat Trump den Kongress beauftragt, neue Richtlinien für die Evaluierung festzulegen, woraus nicht viel geworden ist. Wohl auch, weil Verteidigungsminister Mattis sich wiederholt für das Abkommen ausgesprochen hat und Außenminister Tillerson der Agentur AP kürzlich sagte, Trump werde den Vertrag „entweder reparieren oder aufkündigen. Wir sind gerade dabei, sein Versprechen zu erfüllen, er werde es richten“.
Der Iran ist ein Sonderfall für die US-Politik. Seit der Islamischen Revolution steckte diese Politik fest – bis eben zum Atomdeal. Der Sturz des Schahs im Januar 1979 machte rückgängig, was im offiziellen Washington als einer der größten Erfolge des Geheimdienstes CIA galt. 1953 hatte der zusammen mit britischen Agenten den demokratisch gewählten Iran-Premier Mossadegh zu Fall gebracht. Es ging um die Nationalisierung der Gas- und Ölvorkommen sowie um Mossadeghs vermeintliche Nähe zur Sowjetunion. Kaum eine Operation ist bis heute so gut dokumentiert wie die TPAJAX. Das Vorhaben wurde von US- und britischen Diensten geplant und eingefädelt. Aufgabe der CIA sei es gewesen – so ein heute öffentlich einsehbarer CIA-Report –, „durch Agenten im iranischen Heer sicherzustellen“, dass die Streitkräfte den vom Schah eingesetzten neuen Regierungschef unterstützen. Auf den Staatsstreich folgten Jahrzehnte der Unterdrückung. SAVAK, so der Name der von der CIA unterstützten Geheimpolizei, stand für Folter, Überwachung und Psychoterror.
Das Enthüllungsbuch Fire and Fury hat in Washington die Iran-Debatte erst einmal in den Hintergrund gedrängt. Und Trumps Tweets machen keine Außenpolitik, geben vielmehr Auskunft über die momentanen Gedankengänge im Kopf des nach eigenen Angaben mental gefestigten Genies und dessen Welt, an der die Getreuen teilhaben müssen oder gefeuert werden. Anfang Januar hat Trump republikanische Abgeordnete und Senatoren ins Präsidentendomizil Camp David zu Beratungen gebeten. Es wurde der Streifen The Greatest Showman vorgeführt. Der neue Spielfilm feiert den Zirkusunternehmer P. T. Barnum (1810–1891), den Erfinder einer alternativen Realität. Barnum soll seinen Erfolg angeblich mit der Bemerkung erklärt haben, jede Minute käme ein gutgläubiger Einfaltspinsel zur Welt („there‘s a sucker born every minute“). The Greatest Showman ließe sich auch als Trumps beruhigende Botschaft an all jene Republikaner verstehen, die nervös werden angesichts der Kompetenz ihres Präsidenten.
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