Ob es nun darum geht, was du zu deinem nächsten Date anziehen solltest, was du deinem Crush schreiben kannst, oder auch darum, welchen neuen Weg dein Leben einschlagen könnte: Unsere Freund:innen und Verwandten sind oft unsere erste Anlaufstelle für Rat. Trotzdem ignorieren wir genau diese Ratschläge sehr oft – und verdrehen dennoch vielleicht die Augen, wenn sie wiederum unsere Ratschläge ignorieren oder sie nur befolgen, wenn sie von anderen kommen.
Das kennen wir alle – was das Ganze aber nicht unbedingt weniger frustrierend macht. Aber warum verhalten wir uns dann überhaupt so? Warum ignorieren wir den Rat unserer Liebsten, und entwickeln vielleicht sogar einen Groll, wenn sie es uns gleichtun? Laut Dr. Geraldine K. Piorkowski in Psychology Today ist das allerdings ein natürliches Phänomen – und Teil der komplizierten Dynamik, die uns als soziale Wesen miteinander verbindet.
Um dieses Verhalten aber ein bisschen besser zu verstehen, erklären wir im Folgenden die Gründe dafür, warum wir uns so gegen den Rat von Freund:innen und Verwandten wehren – und umgekehrt.
Wer jeden Tag in den Genuss einer grandiosen Aussicht kommt, weiß: Irgendwann empfinden wir Beeindruckendes gar nicht mehr als so beeindruckend. Dasselbe gilt auch für unser persönliches Umfeld. Es ist zwar nicht so, als seien uns unsere Freund:innen und Verwandten irgendwann weniger wichtig als zu Beginn unserer Beziehung; die Leichtigkeit unseres Zugangs zu ihnen bedeutet aber, dass wir diesen Zugang nicht mehr so zu schätzen wissen. Wir lieben diese Menschen und möchten uns natürlich weiterhin mit ihnen umgeben – trotzdem setzen wir uns mit diesen Interaktionen mit der Zeit nicht mehr so intensiv auseinander wie früher, meint Dr. Piorkowski.
„Wir empfinden bestehende Beziehungen als weniger ‚neu‘, wodurch sie unser Interesse nicht mehr so stark erwecken“, schreibt Piorkowski. „Wir widmen den Gesprächen dann nicht mehr dieselbe Aufmerksamkeit. Daraus ergeben sich dann bekannte Beschwerden wie: ‚Du hast kein Wort von dem gehört, was ich gesagt habe!‘“
Anders gesagt: Wir sind nicht dafür entwickelt, den „Stammgästen“ in unserem Leben dieselbe enthusiastische Aufmerksamkeit zu schenken wie Fremden oder Bekannten. Wir gewöhnen uns an das Vertraute, das uns daraufhin weniger bemerkenswert erscheint.
Wie Dr. Piorkowski sagt: „Wir erinnern uns an die Menschen, wie sie waren, nicht, wie sie sind.“
Das ist ein Hauptgrund dafür, warum deine Eltern deine Ratschläge womöglich nicht so sehr berücksichtigen, wie du es dir wünschen würdest. Sie haben miterlebt, wie du dich als Baby vollgesabbert hast – und ganz egal, wie viel du im Laufe der Jahre und Jahrzehnte erreicht hast, werden sie dich immer in gewisser Hinsicht als das Kind empfinden, das du mal warst. Nicht als Person, die ihnen gegebenenfalls sogar etwas beibringen könnte.
Dasselbe gilt auch für deine Freund:innen; sie haben dich womöglich schon an deinem absoluten Tiefpunkt erlebt und vielleicht mitbekommen, wie du nachts volltrunken nach Hause getaumelt bist, die falschen Leute gedatet und prinzipiell jede Menge katastrophale Entscheidungen getroffen hast. Daher kommen unsere Ratschläge manchmal nicht an, weil wir von unserem Gegenüber als mangelhaft empfunden werden. Kurz gesagt: Deine Freund:innen kennen deine Fehler und Macken. Deswegen lieben oder respektieren sie dich nicht weniger – wissen aber eben auch manchmal „zu viel“ über dich, um dich als Quelle der Weisheit betrachten zu können.
Manchmal werden dein Ratschläge nicht zu Herzen genommen, weil sich dein Gegenüber schlicht und ergreifend dagegen wehrt, die Situation aus deiner Perspektive zu betrachten.
Unsere Freund:innen und Familie sind vermutlich die Menschen, zu denen wir am ehrlichsten sind. Wenn wir also brutal ehrliche Meinungen zu einer Situation aussprechen – oder zu hören bekommen –, vergessen wir dabei schnell, dass unsere Sichtweise nicht unbedingt dieselbe ist wie die unseres Gegenübers. Dadurch erscheint so mancher Ratschlag vielleicht einfach nicht sinnvoll.
Obwohl es schwer ist, zu kontrollieren, wie wir einen Ratschlag aufnehmen, können wir uns sehr wohl davon abhalten, selbst ungebetenen Rat zu verteilen. Freund:innen zu helfen und mit ihnen alles Mögliche durchzusprechen, ist toll, kann aber auch zu einer zwanghaften Gewohnheit werden. Daher: Bleib locker!
Es passiert schnell, dass wir uns übermäßig in den Leben und Problemen anderer Leute verlieren. Und genauso, wie wir auch gerne manchmal den TV anschreien würden, weil Charaktere in Filmen und Serien die „falschen“ Entscheidungen treffen, empfinden wir die Entscheidungen unserer realen Liebsten manchmal als ähnlich frustrierend. Trotzdem ist es nicht unser Recht, sie dafür zu verurteilen – geschweige denn uns einzumischen, wenn wir nicht explizit um Rat gebeten werden. Und mal ehrlich: Ein „Ich hab’s dir doch gesagt!“ hat noch nie jemandem geholfen.
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