Von Falk-Stéphane Dezort, Armin Guzy und Friedemann Orths
Bad Rappenau/Eppingen/Zuzenhausen. Das Verbot von Großveranstaltungen, abgesagte Feste, keine Feiern im privaten Umfeld: Das Corona-Virus hat die Haupteinnahmequellen hiesiger Brauereien fast gänzlich versiegen lassen. Und eine Besserung ist auch nicht in Sicht. Es ist schwer vorstellbar, dass im Sommer größere Veranstaltungen über die Bühne gehen. Literweise landet der Gerstensaft im Abfluss, da das Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD) erreicht ist.
Der Bad Rappenauer Brauer Thomas Wachno will seine Lagerbestände vor diesem Schicksal bewahren. Sein "Häffner-Bräu" oder der prämierte "Hopfenstopfer" seien nicht das Problem, sie werden schon seit Monaten nur punktuell und dem Bedarf entsprechend abgefüllt. Sondern es sind vielmehr die Softgetränke, die man für das Hotel "Häffner" eingekauft hat. "Auch wenn wir sparsam und vorausschauend eingekauft haben, irgendwann kommt der Moment, an dem das MHD erreicht ist", sagt Wachno. "Das Zeug ist ja nicht schlecht. Wir dürfen es nur dann nicht mehr verkaufen. Es wäre schade, wenn man das alles wegschütten müsste." Daher will Wachno die rund 140 Kisten Cola und Limonade am Samstag mit einer Sonderaktion an den Mann oder die Frau bringen.
Zwischen 10 und 14 Uhr bekommt jeder Kunde pro gekaufter Kiste "Häffner Bräu" oder "Hopfenstopfer" eine Kiste Softgetränke mit dem MHD Februar 2021 geschenkt, beziehungsweise kann eine Kiste mit MHD März 2021 für fünf Euro kaufen. Das Pfand pro Kiste muss ebenfalls bezahlt werden. "Wir verdienen daran nichts. Aber bevor wir es wegschütten, bringen wie es lieber so unter die Leute", sagt Wachno.
Seit dem zweiten Lockdown habe man auch keinerlei Getränke mehr auf Lager gekauft, da man nicht absehen könne, wann das Hotel samt Restaurant wieder regulär öffnen dürfen. Und auch weniger Bier werde gebraut. "Es ist langweilig. Irgendwann ist mal alles abgearbeitet und man weiß nichts mehr mit sich anzufangen", bedauert Hotel-Besitzerin Susanne Häffner. "14 Angestellte warten darauf, dass es wieder losgeht."
Bei der "Dachsenfranz Biermanufaktur" in Zuzenhausen mit angeschlossenem Restaurant wurde man von der Pandemie und den Lockdowns "volle Bandbreite getroffen", sagt Junior-Geschäftsführer Tillmann Werner. Schon im ersten Lockdown habe man die Produktion heruntergefahren. Zwar sei man im Sommer wieder bei "80 bis 90 Prozent" der üblichen Menge angekommen, habe im zweiten Lockdown aber wieder "in den Keller fahren" müssen.
Insgesamt hat die Brauerei rund 5000 Liter Bier vernichten müssen. Das Problem bei Dachsenfranz: Man hat sich vornehmlich auf Feste und etwa 50 Gastronomiebetriebe im Umkreis spezialisiert, versorgt in den Sommermonaten "zwischen fünf und 15" Feste pro Woche mit Bier. Da hätten in diesem Jahr 300.000 Euro Umsatz "ersatzlos gefehlt", summiert der Geschäftsführer. Der Absatz der Flaschen sei im Sommer zwar etwas gestiegen, aber das "fängt’s bei Weitem nicht auf", sagt Tillmann Werner. Das Hauptgeschäft seien eben 30-Liter-Fässer. Die kann man auch nicht einfach an "normale" Kunden verkaufen, weil man dafür eine Zapfanlage benötigt.
Deshalb habe man auch Personal entlassen müssen. "Auf Dauer kann das niemand aushalten", sagt Senior-Chef Wilhelm Werner. Das Wichtigste ist für ihn jetzt ein Zeitplan, "dass man planen kann". "Von der Politik fehlt einiges", findet der Senior-Chef; es gebe "keine Perspektiven". Jetzt hofft man auf Öffnungen "spätestens bis Ostern". Positiv sei, dass zumindest ein Teil der November-Hilfen angekommen sei.
Und einen kleinen Vorteil hat die Biermanufaktur auch: Man betreibt noch eine Schnapsbrennerei. Somit kann man einen Teil des überschüssigen Bieres zu Bierschnaps verarbeiten, was man das ganze Jahr getan habe. Jetzt habe man für die nächsten Jahre einen Vorrat. "Nichtsdestotrotz hätten wir lieber Bier verkauft als Schnaps", sagt Tillmann Werner.
Bei der Palmbräu-Brauerei wurde bislang wenig weggeschüttet, weil die Produktion zurückgefahren und die Mitarbeiter in Kurzarbeit geschickt wurden. Mehr als 60 Prozent weniger an Fassbier wurde 2020 im Vergleich zu 2019 umgesetzt, sagt Prokurist Oliver Kohler. Die Lage sei "alles in allem sehr schwierig". Die Abfüllanlage für Fassbier steht seit Oktober still, und vor allem die nicht filtrierten Biersorten kommen jetzt an die Grenze ihrer Lagerfähigkeit. "Nur bei einer Lockerung bis Ostern kämen wir noch mit einem blauen Auge davon", schätzt Kohler.
Bauerei-Chef Wolfgang Scheidtweiler kündigte im Gespräch mit der RNZ indes an, alle alten Fässer wieder einsammeln zu wollen und gegen neue mit frisch gebrautem Bier auszutauschen, wenn es wieder richtig losgeht. Der Grund: "Wir haben nichts davon, wenn die Leute (bei älterem, aber noch verkehrsfähigem Bier, A. d. Red.) sagen: Das Palmbräu hat auch schon besser geschmeckt." Und auch alle Zapf- und Abfüll-Leitungen müssen nach vier Monaten grundlegend gereinigt werden. Ein riesen Aufwand, der aber dem Geschmack zugutekommt. Trotz der großen Verluste denkt Scheidtweiler langfristig und will daher auf keinen Fall bei der Qualität sparen – dafür wird dann nicht jetzt, aber in einigen Wochen viel eingesammeltes Bier "den Bach runter gehen".