Ladenburg. (skb) Gewöhnlich erfolgt nach beendeter Sitzung der Griff zum Besen: Was der Friseur abgeschnitten hat, wird entsorgt. Anders gestaltet sich die Prozedur, wenn der Kunde sich von längerer Haarpracht trennt und damit auch noch Gutes tun will. Mindestens 30 Zentimeter lang muss sie sein, dann eignet sie sich zur Fertigung einer Echthaar-Perücke – je länger, desto besser.
Friseurmeisterin Constanze Weller hat vor Kurzem erst wieder eine ansehnliche Sammlung abgeschnittener, sorgfältig zusammengebundener Zöpfe zusammengepackt, ausreichend Material, um erneut ein Päckchen nach Wien zu schicken, an die Adresse des 2016 von Holger Thomas Möller gegründeten gemeinnützigen Vereins "Die Haarspender".
Der hat es sich zur Aufgabe gemacht, Kindern zu helfen, die ihr Haar durch Krankheit, sei es Krebs oder Alopecia Areata (kreisrunder Haarausfall), verloren haben. Die maßgeschneiderten Echthaar-Perücken, die normalerweise ein kleines Vermögen kosten, ermöglicht der Verein Kindern in Deutschland, Österreich, Ungarn und der Schweiz. Für jedes Exemplar braucht es vier Haarspenden sowie eine Geldspende über 360 Euro.
Constanze Weller unterstützt den Verein schon seit drei Jahren: "Meine ersten Spenderinnen waren neunjährige Mädels", und die waren fest entschlossen, erst wiederzukommen, wenn sie erneut über die erforderliche Spendenlänge verfügen würden. Die bisher Jüngste, die sich von ihrer Haarpracht trennte, war gerade einmal vier Jahre alt: "Ihr habe ich 40 Zentimeter abgeschnitten – und sie hatte immer noch Kinnlänge."
Ob gesträhnt, gefärbt, glatt, gelockt oder oder dauergewellt – gespendet werden kann alles, solange die erforderliche Mindestlänge gewahrt ist, "aber Naturhaar ist ihnen am liebsten". Für einen mit einer Spende verbundenen Haarschnitt bei Kindern und Jugendlichen gewährt die ehemalige Gesellenprüfungs-Vorsitzende sogar einen Preisnachlass. Tatsächlich hatten sich Eltern es aber oft nicht nehmen lassen, dennoch den vollen Preis zu bezahlen – die Differenz geht dann, ebenso wie zweckgebundene Spenden eigens für die gute Sache, ebenfalls an den Verein in Wien.
Haarspenden sind natürlich nicht nur im Haarstudio Weller möglich, wie die Chefin betont, sondern ebenso bei anderen Friseuren in Ladenburg. Erst kürzlich hätten ihr zwei Kollegen "abgeschnittene Zöpfe" vorbeigebracht, freut sich Constanze Weller, was im Grunde jedoch ursprünglich alles anderen als positiven Umständen geschuldet war, denn: "Durch die Corona-Pandemie sind die Friseure in Ladenburg deutlich enger zusammengerückt." Die Friseure gehörten zu den vom Lockdown hart getroffenen Branchen; als sie ihre Salons im Mai wieder öffnen durften, ging dies mit der Einhaltung sehr strenger Hygienemaßnahmen einher, und die Unsicherheit in den Betrieben war groß.
Doch ob Informationen oder Verordnungsnovellen: Als Vorstandsmitglied der Innung, genauer: der Friseur- und Kosmetik-Innung Mannheim, war Constanze Weller immer auf dem neuesten Stand, hatte "viele Infos, die ich gut weitergeben konnte", und fackelte auch nicht lange. Denn warum zwischen Innungs- und Nicht-Innungsmitgliedern unterscheiden? "Wir haben einen gemeinsamen Auftrag, da muss nicht jeder sein eigenes Süppchen kochen, und so waren alle auf einem Level."
Fast alle Kollegen hatten das Angebot gerne angenommen und waren dankbar für den unkomplizierten Informationsweg. Sogar ein Friseur-Stammtisch war schon im Gespräch – "aber da muss erst so was passieren", sinniert Weller in Hinblick auf die Virus-Pandemie und freut sich über das bisherige Miteinander der Branche vor Ort. Das auch dazu beigetragen hat, dass der Verein "Die Haarspender" mit seiner Zielsetzung hier einen höheren Bekanntheitsgrad erlangt hat und unterstützt wird. Erfahrungsgemäß gibt es die meisten Spenden gehäuft im Frühling. Was sich in diesem Jahr, vermutlich coronabedingt, allerdings nicht bestätigt hat.