Manuel Neuer kostet den FC Bayern mit seinem Patzer gegen Leverkusen einen Titel. Es ist nicht sein erster folgenschwerer Fehler. Die Zweifel wachsen. Manuel Neuer hat sich nicht versteckt. Im Gegenteil. Nach der ersten Roten Karte in seiner Karriere und dem Pokal-Aus des FC Bayern gegen Leverkusen (0:1), das er damit unweigerlich auf den Weg gebracht hatte, stellte er sich. Der Kapitän erklärte seine unrühmliche Rot-Premiere und damit die entscheidende Szene des Spiels zuerst vor den TV-Kameras. Und trat dann im Bauch der Arena auch noch in der Mixed Zone vor die Reporter. Dabei übernahm er klar die Verantwortung für das fünfte vorzeitige Pokal-Aus in Folge und den damit verspielten ersten Titel dieser Saison. "Das ist natürlich spielentscheidend und tut uns weh", sagte Neuer über seine missglückte Rettungsaktion in der 17. Spielminute außerhalb des Strafraums, die letztlich zu einem Bodycheck gegen Bayers Angreifer Jeremie Frimpong wurde. Während sich der Leverkusener mit einem Lautsprecher in der Hand zu dröhnenden Beats tanzend seinen Weg Richtung Mannschaftsbus bahnte, erklärte Neuer auf der anderen Seite der Mixed Zone mit trauriger Miene seinen folgenschweren Fehler. Für den 38-Jährigen war sein erster Platzverweis im 867. Profispiel eine komplett neue Erfahrung. Und die ließ ihn auch nicht los, nachdem er die Allianz Arena mit hängendem Kopf verlassen hatte. Noch in der Nacht griff er reumütig zu seinem Handy und entschuldigte sich nochmals bei den Teamkollegen. "Nach meinem Platzverweis war es für die Jungs mit einem Mann weniger natürlich extrem schwer, aber sie haben wirklich alles versucht. Tut mir leid", schrieb Neuer in den sozialen Medien (lesen Sie hier, wie Toni Kroos darauf reagierte ). Neuers Fehlerkette wirft Fragen auf Einen Vorwurf hatte ihm zuvor keiner seiner Mannschaftkollegen gemacht. Auch die Verantwortlichen stellten sich geschlossen hinter ihn. Trotzdem wirft Neuers neuerlicher spielentscheidender Patzer aber auch intern Fragen auf. Schon bei der Auswärtsniederlage bei Aston Villa (0:1) war ihm ein solcher unterlaufen. In der vergangenen Saison hatte sein folgenschwerer Fehlgriff die im Rückspiel bei Real Madrid (1:2) kurz vor Schluss noch mit 1:0 in Führung liegenden Bayern den Einzug ins Champions-League-Finale gekostet. Derartige Aussetzer sind bei Neuer mittlerweile längst keine Ausnahme mehr. Davon, eine vermeintliche Schwachstelle der Mannschaft zu sein, die unter anderem die beiden Sky-Experten Dietmar Hamann und Lothar Matthäus in ihm sehen wollen, ist Neuer zwar noch weit entfernt. Er kann seiner Mannschaft zweifellos noch immer ein sicherer Rückhalt sein, wie er zuletzt auch mit der Siegesserie von sieben Spielen ohne ein einziges Gegentor oder etwa mit seiner starken Leistung beim 1:1 in Dortmund unter Beweis stellte. Neuer hat seine Unantastbarkeit verloren Seine Unantastbarkeit, die den einstigen Welttorhüter und Weltmeister von 2014 einst auszeichnete, hat Neuer aber mittlerweile verloren. Und mit ihr möglicherweise auch teilweise die letzten und auf höchstem Niveau entscheidenden Prozentpunkte an Handlungsschnelligkeit. Damit steigt gleichzeitig das Risiko, gerade bei dem von ihm seit Jahren geprägten offensiven Stil als mitspielender Torhüter mit Ausflügen weit vors Tor und teilweise bis an die Mittellinie. Dieses offensive Torwartspiel hat Neuer als "Manu, der Libero" revolutioniert und die Fußballwelt damit teilweise ins Staunen versetzt. Neuer ist aber nicht mehr der Alte. Nach Gegentoren wird heute aber anders über ihn diskutiert. Mit 38 Jahren steuert er nun unweigerlich auf die Zielgerade seiner großen Karriere zu. Die Neuer-Dämmerung ist gekommen, das Ende naht. Neuer schreibt aktuell das letzte Kapitel seiner Profizeit und hofft noch einmal auf ein großes Happy End. Der Wunsch, seine Nationalmannschafts-Laufbahn als (Heim-)Europameister zu beenden, scheiterte im Sommer unglücklich im Viertelfinale gegen Spanien in der Verlängerung (1:2). Neuer trat dennoch mit einem – was seine persönlichen Leistungen betrifft – ordentlichen letzten Turnier als ewige Nummer 1 ab. Neuers Denkmal bekommt Kratzer Beim FC Bayern verfolgt er mit dem Endspiel der Champions League am 31. Mai 2025 in München nun noch einen weiteren großen Traum: Dabei will er sich für das dramatisch verlorene "Finale dahoam" 2012 revanchieren. Und anschließend mit dem Rekordmeister am liebsten auch noch bei dem neuen Turnierformat in den USA zum Klub-Weltmeister krönen. Und dann? Am nächsten Höhepunkt seiner Karriere abtreten? Sein Vertrag läuft im Sommer 2025 aus. Neuer hat aber zumindest den Gedanken, auch noch mit 40 im Tor zu stehen. Dass er seinen Kontrakt in München noch einmal um ein weiteres Jahr verlängert, gilt als wahrscheinlich. Neuer muss aufpassen, den richtigen Moment für sein Karriereende nicht zu verpassen und damit nicht an seinem eigenen Denkmal zu rütteln. Mit seinem Fehler, der zum Pokal-Aus führte, hat das zumindest schon einen weiteren kleinen Kratzer bekommen.